Zum Inhalt

2001

Gebetszeiten

Aus sicherlich mehreren Aḥādīṯ zu diesem Thema möchte ich einen der ausführlichsten zitieren:

Von Ibn ʿAbbās (ra): Allāhs Gesandter (sas) hat gesagt: „Ǧibrīl (as) hat mich zweimal beim Hause [die Kaʿba in Makka] [im Gebet] geleitet, und er betete Ẓuhr [Mittagsgebet] mit mir, als die Sonne sich so weit wie ein Sandalenband gesenkt hatte, und er betete ʿAṣr [Nachmittagsgebet] mit mir, als die Schatten so lang wie die Gegenstände [selbst] waren, und er betete Maġrib [Abendgebet] mit mir, wenn der Fastende sein Fasten bricht, und er betete ʿIšā’ [Nachtgebet] mit mir, als die Dämmerung vergangen war, und er betete Faǧr [Morgengebet] mit mir, wenn dem Fastenden Essen und Trinken verwehrt sind. Am nächsten Tag betete er Ẓuhr mit mir, als sein Schatten so lang [wie er selbst] war, und er betete ʿAṣr mit mir, als sein Schatten zweimal so lang [wie er selbst] war, und er betete Maġrib mit mir, wenn der Fastende sein Fasten bricht, und er betete ʿIšā’ mit mir, als ein Drittel der Nacht [vergangen war], und er betete Faǧr mit mir, als [die Morgenröte] erstrahlte. Dann wandte er sich mir zu und sagte: ,O Muḥammad, dies sind die Zeiten der Propheten vor dir, und die Zeiten [der fünf täglichen Gebete] sind [jeweils] zwischen diesen beiden Zeiten.’“ (Überliefert von Abū Dāwud und Tirmiḏiyy)

Dieser Ḥadīṯ ist sehr ausführlich, er gibt die Zeitspannen für die fünf täglichen Gebete an und die Zeitpunkte sind zum Teil astronomisch definiert, für Faǧr und Maġrib wird zum Teil Bezug auf das Fasten genommen. In diesem Fall hilft uns der heilige Qur’ān weiter, in dem steht:

„... und esst und trinkt, bis für euch der weiße Faden vom schwarzen Faden der Morgendämmerung klar geworden ist, dann erfüllt das Fasten bis zur Nacht...“ (al-Baqara, 2:187, Übertragung nach A.v.Denffer)

Wichtig ist in diesem Zusammenhang dann auch noch der folgende Ḥadīṯ:

ʿAdiyy Ibn Hātim (ra) berichtete: „Als der Qur’ānvers ,... bis für euch der weiße Faden vom schwarzen Faden der Morgendämmerung klar geworden ist...’ (2:187) offenbart wurde, nahm ich einen weißen und einen schwarzen Strick und legte die beiden unter mein Kopfkissen. In der Nacht verglich ich laufend die beiden gegeneinander und habe den Farbunterschied nicht erkannt. Als der Morgen anbrach, suchte ich den Gesandten Allāhs (sas) auf und erzählte ihm dies. Er sagte zu mir: ,Damit ist nur die Finsternis der Nacht und die Helligkeit des Tages gemeint!’“ (Überliefert von Buḫāriyy)

Definition der Zeitpunkte

Nach diesen Vorbereitungen kann man jetzt die im ersten Ḥadīṯ genannten Zeitpunkte genauer astronomisch definieren. Ich beginne mal mit den einfacheren Fällen:

Ẓuhr (Öğle Namazı, Mittagsgebet)

Astronomischer Mittag ist dann, wenn die Sonne im Süden am höchsten am Himmel steht. Dieser Zeitpunkt ist abhängig vom Längengrad des Beobachters, für jeden Längengrad weiter westlich ist der astronomische Mittag vier Minuten später. Außerdem schwankt dieser Zeitpunkt für einen festen Beobachtungsort im Laufe eines Jahres um bis zu ca. 20 Minuten um einen Mittelwert herum (Fachbegriff: Zeitgleichung), Ursache ist die periodisch veränderliche Geschwindigkeit der Erde auf ihrer elliptischen Bahn um die Sonne herum, während die Rotationsgeschwindigkeit der Erde um sich selbst konstant bleibt. Wie der erste Ḥadīṯ sagt, wird das Mittagsgebet nicht direkt zum Zeitpunkt des astronomischen Mittags verrichtet, sondern eine kurze Weile danach (um sich von heidnischen Sonnenanbetern abzugrenzen). Diese kurze Weile danach, wenn sich „die Sonne so weit wie ein Sandalenband gesenkt“ hat, lässt sich nicht wissenschaftlich exakt definieren. In den erhältlichen Gebetskalendern wird da oft (ohne näheren Hinweis darauf!) einfach willkürlich 5 Minuten zum astronomischen Mittag addiert. Man sollte sich aber immer bewusst sein, dass das eine reine Konvention ist, diese fünf Minuten sind nirgends definiert, es könnten genauso gut z.B. sechs oder sieben oder fünfeinhalb sein.

ʿAṣr (Ikindi Namazı, Nachmittagsgebet)

Beginn des Zeitraums für ʿAṣr ist, wenn der Schatten eines Gegenstandes so lang ist, wie der Gegenstand selbst. In Makka steht die Sonne im Sommer mittags im Zenit, in nördlicheren Breiten steht aber die Sonne manchmal so flach am Himmel, dass der Schatten mittags schon länger ist, wie der Gegenstand. Eine wirklich geniale Erweiterung von Ǧibrīls (as) Anweisung ist daher, dass man sagt: Beginn des Zeitraums für ʿAṣr ist, wenn der Schatten eines Gegenstandes einmal um die Länge des Gegenstandes länger ist, wie der Schatten des Gegenstand selbst am Mittag. Diese „Formel“ funktioniert überall auf der Welt und sie beinhaltet natürlich den „Sonderfall“ von Makka, wenn nämlich ein Gegenstand am Mittag überhaupt keinen Schatten wirft. Ebenso lässt sich dann das Ende des Zeitraums für das ʿAṣr-Gebet definieren als dann, wenn der Schatten eines Gegenstandes zweimal um die Länge des Gegenstandes länger ist, wie der Schatten des Gegenstand selbst am Mittag (Anmerkung: Ḥanīfitische Rechtsschule beginnt dann z.T. erst das ʿAṣr-Gebet). Nach dieser Formel lassen sich weltweit die Zeiten für die ʿAṣr-Gebete astronomisch exakt auf die Minute berechnen.

Maġrib (Akşam Namazı, Abendgebet)

Auch hierfür lässt sich der Zeitpunkt des Sonnenuntergangs astronomisch exakt berechnen. Zu beachten ist aber der Effekt der Refraktion, was bedeutet, dass die Lichtstrahlen beim Durchlaufen der Atmosphäre gekrümmt werden. Das wirkt sich nur merklich aus, wenn die Lichtstrahlen einen sehr weiten Weg durch die Atmosphäre nehmen, aber das tun sie gerade beim Sonnenuntergang. Der Effekt ist so groß, dass die Sonne in Wirklichkeit schon ganz untergegangen ist, wenn scheinbar gerade ihr unterer Rand den Horizont berührt (Hört sich etwas verrückt an, aber man kann versuchen sich vorzustellen, dass die Lichtstrahlen hinter den Horizont gekrümmt sind, unser Auge bzw. Gehirn aber natürlich davon ausgeht, dass sie gerade verlaufen, und dadurch erscheint das, was schon unter dem Horizont ist eben noch darüber). Dieser Effekt ist nicht absolut stabil, sondern von Temperatur, Luftdruck usw. abhängig. In den Gebetskalendern wird dieser Effekt in der Regel näherungsweise, aber mit ausreichender Genauigkeit berücksichtigt. Ein weiterer Effekt beim Sonnenuntergang tritt auf, wenn der Beobachter z.B. auf einem sehr hohen Berg steht und die Sonne beim wahren Horizont (z.B. über dem Meer) untergeht. Dann geht sie natürlich für den Beobachter auf dem Berg später unter als für jemanden auf Meereshöhe. In den Gebetskalendern wird „um sicher zu gehen“ wieder gerne (und ohne darauf hinzuweisen!) ein willkürliches Sicherheitspolster von ein paar Minuten nach dem astronomischen Sonnenuntergang dazu addiert. Hier gilt das gleiche wie zuvor gesagt: Das ist eine reine Konvention, dafür gibt es absolut keine Begründung in der Sunna. Im Zusammenhang mit dem Fasten kann sogar davon ausgegangen werden, dass ein solches willkürliches „Sicherheitspolster“ der Sunna widerspricht, da der Fastende sein Fasten sofort nach Sonnenuntergang brechen soll.

ʿIšā’ (Yatsı Namazı, Nachtgebet)

Jetzt kommt der schwierigste Fall. Für den frühesten Zeitpunkt dafür gibt es in der Sunna keine exakte Definition („als die Dämmerung vergangen war“). Um da überhaupt eine mathematisch fassbare Regel zur Berechnung eines Gebetskalenders zu erhalten, nehmen viele einfach eine feste Zeitspanne nach Sonnenuntergang an, z.B. 1h 30m oder 1h 40m. Dies ist aber völlig unwissenschaftlich und zudem noch falsch! In der Astronomie hat man eine Einteilung des Grades der Dämmerung nach der Tiefe der Sonne unter dem Horizont festgelegt (Depressionswinkel). Man bezeichnet es als „Bürgerliche Dämmerung“, wenn die Sonne 6° unter dem Horizont ist. Das entspricht etwa dem Zeitpunkt, wenn man im Haus das Licht einschaltet. Am Himmel kann man dann gerade die allerhellsten Sterne erkennen. Die nächste Stufe heißt „Nautische Dämmerung“, wenn die Sonne 12° unter dem Horizont ist. (Sie heißt übrigens so, weil man zu diesem Zeitpunkt auf dem Meer den Horizont nicht mehr erkennen kann und daher keine Positionsbestimmung mit dem Sextanten mehr vornehmen kann.) Zu diesem Zeitpunkt ist es unter idealen Bedingungen schon fast völlig dunkel, man kann die Horizontlinie also gerade nicht mehr erkennen, die Sterne sind von den helleren bis zu den schwächeren zu sehen, die allerschwächsten aber gerade noch nicht. Die dritte Stufe heißt „Astronomische Dämmerung“, wenn die Sonne 18° unter dem Horizont ist. Dann ist es völlig dunkel, man kann die schwächsten Sterne erkennen.

Dämmerungsstufen

Man muss nun wissen, dass die Zeitdauer vom Sonnenuntergang bis zu den einzelnen Dämmerungsstufen im Laufe des Jahres an einem Beobachtungsort nicht konstant ist. Zum Beispiel dauert es vom Sonnenuntergang bis zum Eintritt der Nautischen Dämmerung auf etwa 50° nördlicher Breite im Frühjahr und Herbst etwa 1h 10m, im Sommer aber bis zu 1h 50m und im Winter etwa 1h 20m. Daran sieht man schon, dass die Regel mit der festen Zeitspanne nicht funktioniert, denn dies entspricht eben im Laufe eines Jahres verschiedener „Tiefe“ der Dunkelheit. Bei vielen „professionelleren“ Gebetskalendern verwendet man daher eine dieser „Sonne-x°-unter-dem-Horizont“-Regeln, und zwar meistens 18° (entspricht der Astronomischen Dämmerung), aber auch 16° oder 15°, aber das wird in der Regel gar nicht näher erwähnt.

Ich persönlich habe aber meine Probleme mit dieser Astronomischen Dämmerung und zwar aus zwei Gründen: Erstens wird der Zustand der Astronomischen Dämmerung im Sommer schon in der Mitte Deutschlands und weiter nördlich gar nicht mehr erreicht, d.h. die Sonne geht dort im Sommer gar keine 18° unter den Horizont („helle Nächte“). Man muss dann wieder zur Bestimmung der Zeit des Nachtgebets irgendwelche mathematische Hilfskonstruktionen verwenden. Zweitens finde ich auch (nur meine persönliche Meinung), dass die Astronomische Dämmerung mit ihrer quasi völligen Dunkelheit nicht der Sunna entspricht, nach der man ja den Eintritt der Dämmerung irgendwie schon erkennen muss (z.B. die Sache mit den Fäden). Ich verwendete daher früher aus diesen beiden Gründen zur Bestimmung der Zeit des Nachtgebets die Nautische Dämmerung (Sonne 12° unter dem Horizont), die mir von der Beschreibung her angemessener erschien, siehe noch mal die obige Beschreibung der Dämmerungsstufen. In der jüngeren Vergangenheit habe ich aber diese Praxis abgewandelt. Durch langjährige Beobachtung des Himmels nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang kam ich zu dem Schluss, dass die Nautische Dämmerung doch noch einem etwas „zu hellen“ Grad der Dämmerung entspricht, vor allem im Sommer. Auch der Vergleich mit wissenschaftlichen Untersuchungen brachte mich daher dazu, dass ich heute einen Dämmerungswinkel von 14° für angemessen halte und auch am ehesten den Vorgaben des Ḥadīṯ entsprechend.

Ganz klar, das sind auch wieder Konventionen, nirgendwo im Qur’ān und Sunna steht etwas von Winkelgraden. Aber ich finde in diesem Fall (im Gegensatz zu den oben erwähnten „Sicherheitspolstern“), dass das dem Islam nicht widerspricht. Auch der Prophet Muḥammad (sas) spezifizierte die Dämmerung nicht genauer, als er antwortete: „Damit ist nur [dasjenige zwischen] der Finsternis der Nacht und der Helligkeit des Tages gemeint!“ Denn wenn Allāh (t) eine astronomisch-mathematisch exakte Definition der Zeit für die Dämmerung gewollt hätte, dann hätte Er es uns genauso mitteilen können, wie für die anderen Gebete. Dies ist aber gerade hier nicht der Fall! Im Islam soll man im Zweifelsfall immer den Mittelweg wählen, und ich persönlich habe für mich daher einen Dämmerungswinkel von 14° gewählt. Aber das muss eben jeder mit seinem Islamverständnis und seinem Gewissen selbst abklären.

Faǧr (Sabah Namazı, Morgengebet) und Šurūq (Güneş, Sonnenaufgang): Hier gilt sinngemäß das gleiche, was zuvor bei ʿIšā’ und bei Maġrib gesagt wurde. Es gibt zudem keinen Anlass, bei der Berechnung zwischen der Dämmerung am Abend (wenn es dunkel wird) und der Dämmerung am Morgen (wenn es hell wird) einen Unterschied zu machen.

Das Problem der kurzen Nächte

Jetzt gibt es aber trotzdem noch ein Problem. Selbst ein Dämmerungswinkel von 14° wird im Norden Deutschlands im Sommer gar nicht mehr erreicht, und auch im Süden Deutschlands wird die Zeit zwischen Abenddämmerung und Morgendämmerung noch unangenehm kurz. Gerade in den vergangenen Jahren fiel der Fastenmonat Ramaḍān in die Sommermonate, wo bei einer strikten Anwendung einer Definition des Faǧr-Zeitpunkts über einen Dämmerungswinkel der Fastende sein Fasten teilweise bereits kurz nach Mitternacht beginnen müsste und die Dauer des Fastens bis zum abendlichen Sonnenuntergang 20 Stunden und mehr erreichen kann. Außerdem ist damit immer noch keine Antwort auf die Frage gegeben, was zu tun ist, wenn ein bestimmter Grad der Dunkelheit überhaupt nicht mehr erreicht wird.

Der Islam legt den Gläubigen keine unerträglichen Beschwernisse auf, auch nicht im Ramaḍān, das kann also nicht „im Sinne der Sache“ sein, dass für bestimmte Weltgegenden die Zeit zwischen Fastenbrechen und Fastenbeginn auf ein bis zwei Stunden oder noch weniger zusammenschrumpft. Im Fiqh gibt es die Regel „Erschwernis bringt Erleichterung“ (al-mašaqqa taǧlibu l-taysīr), es muss also eine Lösung für dieses Problem geben. Nach langem Nachforschen zu diesem Thema bin ich auf das Prinzip des „Subʿu l-layl“ gestoßen, d.h. Ein-Siebtel-der-Nacht. Dieses Konzept wurde bereits von früheren Gelehrten für geographische Problemgebiete eingeführt und besagt im Prinzip: Die Dauer der Dämmerung beträgt (jeweils abends und morgens) maximal ein Siebtel der Nacht (manche definieren auch ein Fünftel oder ein Drittel). Wenn also im Sommer die (sichtbare) Dämmerung sich sehr lange in die Nacht ausdehnt, dann wird spätestens nach einem Siebtel der Nacht „die Reißleine gezogen“ und entsprechend am Morgen. (Anmerkung: Im mālikitischen Maḏhab gilt als „Nacht“ die Zeitspanne zwischen Sonnenuntergang und Faǧr, bei den anderen Maḏāhib die Zeit von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang).

Dieses Prinzip wende ich seither auch für meine Gebetskalender und auch für die Fastenzeiten an. Das Prinzip des Subʿu l-layl wirkt sich in der Mitte Deutschlands etwa zwischen Anfang April und Mitte September aus, zuerst nur unmerklich, dann immer stärker bis zur Zeit des höchsten Sonnenstands, dann wieder abnehmend. Wenn man es etwa in die geographische Breite von Nordafrika überträgt, wirkt es sich überhaupt nicht mehr aus, in Südeuropa wahrscheinlich nur über wenige Tage oder Wochen hinweg. Eine Berechnung dieser Gebetszeiten ist aber relativ aufwendig, mir ist derzeit kein Programm bekannt, das diese Berechnungen in der gewünschten Weise durchführt, ich verwende dafür ein spezielles Worksheet unter Excel.

Schlussbemerkungen

Es gäbe noch eine Menge mehr zu erklären, aber das soll mal reichen. Vielleicht kann man jetzt verstehen, warum man eigenartigerweise in Kalendern unterschiedliche Gebetszeiten finden kann, während Qur’ān und Sunna aber eigentlich nicht überall beliebige Spielräume lassen. Ich finde es daher äußerst bedenklich, wenn viele Muslime irgendwelche Gebetskalender verwenden, die sie irgendwo beim Gemüsehändler mitgenommen haben. Solche Kalender sind zwar sicher von ihren Autoren mit den besten Absichten verfasst, es stellt sich aber zumindest die Frage: Mit welcher Fachkenntnis? In der Regel tragen sie erstens gar keine oder nur ungenaue Angaben, für welchen Ort sie berechnet sind („Berlin“ oder „München“ sind aber z.B. so groß, dass die Gebetszeiten am östlichen und am westlichen Stadtrand schon ein bis zwei Minuten unterschiedlich sein können), außerdem tragen sie in der Regel ebenso wenig einen Hinweis darauf, wer sie berechnet hat, noch auf welchen islamischen, astronomischen und mathematischen Grundlagen das geschehen ist. Ich hätte da jedenfalls ziemliche Bauchschmerzen, wenn ich mich blind auf so was verlassen würde, nur mal nebenbei bemerkt. Ich hoffe, ich habe mit diesem Artikel zunächst mal einiges Interesse an dem Thema geweckt, und zweitens auch einige Anstöße kritisch darüber nachzudenken, was man jeden Tag so tut im guten Glauben, „das ist schon richtig so, weil es ja auf einem Papier steht mit der Basmala oben drauf“. Wenn noch was unklar ist, so bin ich gerne bereit, ausführlichere Auskünfte über den oben stehenden Link zu erteilen.

Wa-l-salām

Offener Brief an den sog. "DIWAN" zum Ramadân 1422 n.H.

Al-salāmu `alaykum, liebe Geschwister im Islam, ich wünsche Euch allen einen gesegneten Monat Ramaḍān.

*********************************************************************

"Sie fragen dich nach den Neumonden. Sag: Es sind festgesetzte Zeiten für die Menschen und die Wallfahrt, ..." (al-Baqara, 2:189)

"Wie im Fall der Zugehörigen Pharaohs und derjenigen, die vor ihnen waren, sie haben Unsere Zeichen geleugnet, also ergriff sie Allāh mit ihren Sünden, und Allāh ist hart im Bestrafen." (Āl-`Imrān, 3:11) (Übertragungen nach A.v.Denffer)

Ibn `Umar (ra) berichtete, dass er den Gesandten Allāhs (sas) folgendes sagen hörte: "Wenn ihr ihn (den Neumond) seht, dann fastet, und wenn ihr ihn wieder seht, dann beendet euer Fasten, und wenn seine Sichtung nicht möglich ist, so schätzt die Zeit dafür." (Bukhāriyy, 1900)

*********************************************************************

Wie in den vergangenen Jahren hat es wieder nicht überrascht zu erfahren, dass Sa`ūdi-Arabien die Bestätigung einer Sichtung des Hilāls an einem Tag (15.11.2001) bekannt gab, an dem der Hilāl dort nach anerkannten astronomischen Kriterien gar nicht sichtbar war, weder mit dem bloßen Auge noch mit optischen Hilfsmitteln. Mit heutigem Wissensstand erfolgte die erste glaubwürdige Sichtung des Hilāls zum Ramaḍān 1422 am 16.11.2001 in Brunei (siehe ICOP), fast 19 Stunden nach der angeblichen Sichtung in Sa`ūdi-Arabien!

Ein einfaches Kriterium, das diese Tatsache einer Nicht-Sichtbarkeit des Hilāls am 15.11. in Sa`ūdi-Arabien verdeutlicht, ist schon allein die Betrachtung des Mondalters (Zeitraum, der seit der Konjunktion, d.h. seit dem Vorbeigang des Mondes an der Sonne verstrichen ist). Das kleinste Mondalter, bei dem jemals anerkanntermaßen eine Sichtung erfolgreich war, liegt bei 14.8 Stunden ohne optische Hilfsmittel und bei 12.1 Stunden, wenn optische Hilfsmittel (Teleskope) notwendig waren, um den Mond überhaupt aufzufinden. Alle Sichtungsversuche bei Mondaltern unter 12 Stunden waren selbst mit den stärksten Teleskopen nicht erfolgreich. Am 15.11. hatte der neue Mond bei Sonnenuntergang in Makka ein Alter von ca. 8 Stunden, mehr ist wohl nicht dazu zu sagen...

Der sogenannte "DIWAN" hat sich nach der Meldung aus Sa`ūdi-Arabien umgehend und geflissentlich beeilt, sein eigenes (unwissenschaftliches) "Sichtungskriterium" (Monduntergang mindestens 20 Minuten nach Sonnenuntergang, was sowieso schon völlig realitätsfern ist) zu vergewaltigen, um es der angeblichen Sichtungsmeldung aus Sa`ūdi-Arabien anzupassen. Wohlgemerkt, der sogenannte "DIWAN" hat im Widerspruch zur Sunna unseres Propheten (sas) keine aktuelle Sichtung in Deutschland zum Ausrufen des Ramaḍāns durchgeführt (die das Wetter in diesem Jahr gestattet hätte), sondern nur eine unglaubwürdige Meldung kolportiert, die allen wissenschaftlichen Grundlagen und vor allem allen islamischen Grundlagen widerspricht. Offenbar haben die Mitglieder des sogenannten "DIWAN" keine eigene Sichtung des Hilāls versucht, es ist eher davon auszugehen, dass sie das auch noch niemals in ihrem ganzen Leben jemals getan haben, wa-Llāhu a`lam. Ich freue mich daher, dem sogenannten "DIWAN" und allen Muslimen in Deutschland mitteilen zu können, dass ich persönlich den Hilāl bei Sonnenuntergang des 16.11.2001 gesichtet habe! Die Gesetze, die Allāh (t) dem Kosmos gegeben hat, lassen sich eben nicht von den Menschen nach ihrer Willkür verändern, der Ramaḍān 1422 begann wie von allen Experten auf dem Gebiet der islamischen Astronomie angekündigt, in Wahrheit am Samstag, dem 17.11.2001.

Ich möchte daher an den sogenannten "DIWAN" folgende Fragen richten:

- Ist sich der sogenannte "DIWAN" nicht zu schade dafür, seine eigene Inkompetenz auf dem Gebiet der islamischen Šarī`a als auch auf dem Gebiet der astronomischen Wissenschaft jedes Jahr aufs Neue öffentlich zu zeigen und darzulegen?

- Was für eine Entscheidung betreffend des Beginns eines islamischen Monats würde der sogenannte "DIWAN" fällen, wenn z.B. auf Grund eines Ausfalls der Nachrichtenverbindungen keine Informationen aus Sa`ūdi-Arabien zu erhalten wären?

- Warum macht der sogenannte "DIWAN" eine solche Geheimniskrämerei um seine Mitglieder und deren fachliche Qualifikation, überhaupt in einem solchen Gremium mitzuwirken, das sich religiöse Anweisungen für viele Tausend Muslime in Deutschland anmaßt?

- Ist sich der sogenannte "DIWAN" seiner Verantwortung Tausenden von Muslimen gegenüber und vor allem Allāh (t) gegenüber bewusst, der denjenigen harte Strafe angedroht hat, die wider besseres Wissen Seine Gesetze und Seine Ordnung, die Er dem Kosmos und den Menschen gegeben hat, verfälschen und leugnen?

*********************************************************************

Liebe Geschwister im Islam, im gesegneten Monat Ramaḍān soll der gläubige Muslim vermehrt den heiligen Qur'ān studieren. Den Mitgliedern des sogenannten "DIWAN" sei angeraten, mit den oben zitierten Versen aus dem heiligen Qur'ān zu beginnen. Nochmals einen gesegneten Ramaḍān, wa-l-salām, euer Bruder im Islam

Dipl.-Ing. Aḥmad Kaufmann - Mörlenbach - Deutschland

Mitglied von ICOP (Islamic Crescents' Observation Project der Jordanian Astronomical Society)