Zum Inhalt

Spot

Mondsichtung im Islam

Die Wissenschaft zur Bestimmung der Zeit

Es gibt zwei Arten von Zeitbestimmung, die für den Muslim relevant sind: Die Zeitrechnung nach der Sonne und die nach der Mondsichtung. In beiden Arten der Zeitrechnung findet der Islam Interesse und Anwendung. Die Sonne bestimmt z.B. die fünf Tageszeiten, wonach die Muslime das Gebet verrichten. Der Mond (hilâl) bestimmt z.B. den Fastenmonat Ramadân, wo alle Muslime fasten. „Er lässt den Tag anbrechen; und Er machte die Nacht zur Ruhe und Sonne und Mond zur Berechnung. Das ist die Anordnung des Allmächtigen, des Allwissenden.“ (6:96) „ Er ist es, Der die Sonne zur Leuchte und den Mond zu einem Schimmer machte und ihm Stationen bestimmte, auf dass ihr die Anzahl der Jahre und die Berechnung kennen möchtet. Allâh hat dies nicht anders denn in Weisheit geschaffen. Er legt die Zeichen einem Volke dar, das Wissen besitzt.“ (5:10)

Der Sonnenuntergang, der Sonnenaufgang, der Winkel der Sonne zu einem Punkt auf der Erde, so dass der Schatten des Menschen doppelt so lang als die tatsächliche Größe der Person wird (Kriterium für `Asr-Gebet) unterliegen der Natürlichkeit des Zusammenspiels der Sonne und der Erde. Wir werden aber in diesem Text nur die Mondsichtung vertiefen, da dieses Thema „freundlicher“ – im Sinne der Nicht-Mathematiker – und heikler als die Zeitrechnung nach der Sonne ist. In der zweiten Ausgabe der KAABA wurde dieses Thema von mir behandelt und ist meiner Meinung nach mir ungelungen. Um Allâhs Willen, es steht nichts Falsches drin, sondern man kann ihn modifizieren und erweitern (der Text ist türkisch).

Islam und Astronomie

Der Qur'ân beinhaltet viele Wissenschaften, unter anderem Geologie, das Reich der Tiere und Pflanzen, menschliche Fortpflanzung und Astronomie. Der Islam ist eine Religion, die die Menschen zur Wissenschaft auffordert. Der heilige Qur'ân spricht mit vielen Versen den „denkenden“ Menschen an. „In der Schöpfung der Himmel und der Erde und im Wechsel von Nacht und Tag und in den Schiffen, die das Meer befahren mit dem, was den Menschen nützt, und in dem Wasser das Allâh niedersendet vom Himmel, womit Er die Erde belebt nach ihrem Tode und darauf verstreut allerlei Getier, und im Wechsel der Winde und der Wolken, die dienen müssen zwischen Himmel und Erde, sind fürwahr Zeichen für solche, die verstehen.“ (2:164) „Und Wir schufen die Himmel und die Erde, und was zwischen beiden ist, nicht im Spiel. Wir erschufen sie allein in Weisheit, jedoch die meisten von ihnen verstehen es nicht.“ (44:38-39) Für einen besseren Verständnis des Qur'âns erfordert er auch die Verständnis von Wissenschaft. Es ist nicht die Aufgabe des Qur'âns dem Menschen Wissenschaften beizubringen oder zu erklären, sondern er soll sie zum Nachdenken über die Erschaffung und Allmacht und Größe Allâhs bringen.

Astronomie ist eine der Naturwissenschaften, die der Muslim betreiben muss, um gewisse Verse zu verstehen. Allâh sagt: "Die Sonne und der Mond bewegen sich nach bestimmten Regeln." (55:05) „...Und (Er erschuf) die Sonne und den Mond und die Sterne, Seinem Gesetz dienstbar. Wahrlich, Sein ist die Schöpfung und das Gesetz! Segensreich ist Allâh, der Herr der Welten.“ (7:54) Der Mond braucht niemals 31 Tage, um die Erde zu umrunden, sondern höchstens 30. Allâh hat für ihn Regeln und Gesetze bestimmt, denen er unterlegen ist. Astronomie ist die Wissenschaft, die diese Regeln versucht zu verstehen und zu beweisen. Und derjenige, der die Astronomie versteht, wird den Qur'ân besser verstehen!

Ist man mit der Sternenkonstellation vertraut, so kann man auf der Erde nicht verloren gehen, man weiß ganz genau, wo man ist! „Und Er ist es, Der die Sterne für euch geschaffen, auf dass ihr durch sie den Weg findet in den Finsternissen zu Land und Meer. Wir haben bis ins einzelne die Zeichen dargelegt für Menschen, die Wissen haben.“ (6:97) Hat man kein Wissen, um die bis ins einzelne dargelegte Zeichen zu verstehen, dann wird man lange über diesen Vers sinnlos nachdenken: „Was will Allâh mir damit sagen?“ Der Muslim soll sich für Astronomie interessieren! Ich kann Ihnen islamische Astronomen, wie z.B. Ibn-Hurdazbih (825-912), Mas`ûdiyy (910-957), Idrisiyy (1100-1166), Bayrûniyy (973-1051), Ibn Rušd (1126-1198), Imâm Ghazâliyy (1058-1111), Muhyiddîn `Arabiyy (1165-1240) u.v.a., nennen, die damals in ihrer Sache führend waren und auch die Lehre der Gestirne prägten. Die Entwicklung, dass Muslime nicht nur in der Astronomie, sondern in allen Wissenschaften führend waren, ist doch ein logischer Schluss aus dem Qur'ân! Der „Denkende“, das intellektuelle Individuum, DU wirst angesprochen und nicht die Kuh auf der Weide (bitte nehmt mir dieses Gleichnis nicht übel, aber das ist doch das Faktum). „...Allâh hat dies nicht anders denn in Weisheit geschaffen. Er legt die Zeichen einem Volke dar, das Wissen besitzt.“ (5:10)

Kannten Sie wenigstens einen, der oben genannten Astronomen? Imâm Ghazâliyy kannten Sie bestimmt, weil er nicht nur in der Astronomie, sondern auch in der Fiqh-Lehre tätig war. Aber lassen Sie mich raten: dass er astronomisch tätig war, das ist Ihnen auch neu, oder? Im Endeffekt liegt es doch wieder bei uns, bei unserem Glauben, Glauben zu Allâh, wie sehr wir uns interessieren und engagieren im Namen Allâhs...

Wie funktioniert die Mondsichtung?

Muslime benutzen den Mondkalender als ein Instrument zur Zeitrechnung. Man hat die Flucht des Propheten Muhammad (s) aus Mekka (Hijra) als den Anfangspunkt des Hijriyy-Kalenders festgelegt. Das würde genau im Gregorianischem Kalender der Geburt Christi entsprechen. Alle islamischen Monate (insgesamt 12, Liste siehe Tabelle) haben minimal 29 oder maximal 30 Tage. Der Anfang eines islamischen Monats wird durch die Sichtung der „jüngsten“ Mondsichel definiert. Um den Beginn zu bestimmen, muss am Yawmu-l-šakk (der kritische Tag) – das ist der Abend des 29. eines islamischen Monats - der Mond beobachtet werden. Sichtet man ihn nicht, so sind von 30 Tagen auszugehen. `Abdullâh Ibn `Umar berichtet: Der Prophet (F.s.m.i.) erwähnte den Ramadân und sagte: "Fastet nicht bevor ihr den Hilâl seht, und brecht das Fasten nicht ab, bevor ihr ihn (Hilâl) seht. Und wenn er bedeckt ist, sollt ihr ihn berechnen." (Bukhâriyy) Man kann den Monat nur dann „berechnen“, wenn man auch den Monat davor richtig angefangen hat, da sich der kritische Tag nur durch den richtigen Anfang bestimmen lässt.

Wichtig ist, dass man „Neumond“ und „Hilâl“ nicht verwechselt! Der gravierende Unterschied liegt darin, dass der Neumond nicht sichtbar ist, da der Neumond durch die Konstellation von Erde, Mond und Sonne auf einer (gedachten) Linie, genannt auch Konjunktion, definiert wird, und der Hilâl ist der sichtbare Mond. In deutschen Kalendern ist der Neumond als ein schwarzer Punkt abgebildet. Es neigen doch viele Muslime dazu, den Neumond mit dem Hilâl zu verwechseln. Nicht vergessen: der „Westen“ interessiert sich nicht für den Hilâl!

Im Islam muss es die Mondsichtung geben!

„...Der Mondwechsel...dient, den Menschen die Zeit und die Pilgerfahrt nach Mekka zu bestimmen..." (2:189) Ohne sie wäre dieser Vers nicht anwendbar. Wann soll man sonst pilgern? Eine Unordnung und Uneinheitlichkeit in der Umma wäre zu erwarten. Ohne die Mondsichtung wäre der Fastenmonat Ramadân als ein Zeitraum nicht vorstellbar. Wann und wie lange soll ich fasten? Abû Hurayra berichtet: Muhammad (F.s.m.i): "Wann immer ihr den Neumond (des Monats Ramadân) sichtet, fastet, und wenn ihr den Neumond (des Monats Šawwâl) sichtet, hört auf zu fasten, und wenn der Himmel bewölkt ist, dann fastet 30 Tage." (Muslim)

Das Fasten ist dem Muslim und der Muslima ein Gebot und muss einmal im Jahr 29 bzw. 30 Tage im Fastenmonat Ramadân abgehalten werden. Wenn das Fasten eine Pflicht ist, dann ist die Mondsichtung zur Bestimmung dieser Frist auch ein Muss. Muslime müssen Ausschau nach dem Hilâl halten. Es reicht hier aber, wenn nur weniger aus einer Gemeinde, die dazu in der Lage sind (!), den Mond sichten (fard kifâya). Daraus resultiert, dass die Mondsichtung auch eine Art von Gottesdienst ist, da man es nur tut, um einen anderen Gotttesdienst zu bestimmen. Das gilt nicht nur für den Monat Ramadân, sondern für alle Monate, da bekanntlich die Monate aufeinander aufbauen. Wenn ich nicht weiß, wann Muharram angefangen hat, dann weiß ich genauso wenig, wann Šawwâl anfängt.

Die Mondsichtung als ein Teilgebiet der Astronomie

Die Astronomen sprechen auch von der Geometrie der Himmelskörper. Die Bewegung der Planeten und Gestirnen sind beobachtbar und berechenbar. So sind die Bewegungen der Erde, Sonne und Mond der Astronomie bekannt, da "die Sonne und der Mond sich nach bestimmten Regeln bewegen" (55:05), nach Allâhs Gesetzen. Somit braucht der Mond im Mittel 29 Tage 12 Stunden 44 Minuten, um die Erde einmal zu umlaufen (synodischer Monat). „Er schuf die Himmel und die Erde in Weisheit. Er faltet die Nacht über den Tag und faltet den Tag über die Nacht; und Er hat die Sonne und den Mond dienstbar gemacht ; ein jedes verfolgt seine Bahn zu einem bestimmten Ziel. Fürwahr, Er allein ist der Allmächtige, der Allverzeihende.“ (39:5) Es ist den Astronomen bekannt, wann der Mond welche Position relativ zur Erde einnimmt, wann eine Sonnen- und Mondfinsternis, wann Vollmond, Neumond etc. entsteht. „Und Er ist es, Der die Nacht und den Tag erschuf und die Sonne und den Mond. Sie schweben, ein jedes in (seiner) Bahn.“ (21:33) Im Internet finden Sie ein Katalog für fünf Jahrtausende, wo man nachschlagen kann, wann der Mond bestimmte Zustände, wie Neu-, Viertel-, Voll- und Drittelmond, einnimmt (http://sunearth.gsfc.nasa.gov/eclipse/phase/phasecat.html). Das sind keine Jahrhunderte, sondern Jahrtausende! Man kann die Position des Mondes zu einem x-beliebigem Zeitpunkt berechnen.

Das Zusammenspiel zwischen Erde, Mond und Sonne sind Teile der subjektiven Monderscheinung für den Beobachter auf der Erde. Sie erscheinen uns als Mondphasen. Der Mond leuchtet nicht, sondern er reflektiert das Licht der Sonne. „Und den Mond in sie gesetzt hat als ein Licht und die Sonne gemacht hat zu einer Lampe?“ (71:16) Allâh benutzt das arabische Wort nûr für den Mond, was reflektiertes Licht heißt, und sirâj für die Sonne, welches aus sich selbst existierendes Licht bedeutet. Und genau so ist es: die Sonne leuchtet auf Grund nuklearer Prozesse in ihr und der Mond reflektiert das Licht der Sonne.

Eine Hälfte des Erdtrabanten ist immer beleuchtet (außer bei Mondfinsternis). Von der Erde aus kann man auch nur die beleuchtete Seite sehen. Ummittelbar vor oder nach Neumond (2-3 Tage) ist die unbeleuchtete Seite des Mondes der Erde zugekehrt. Die Sichtung ist unmöglich. Diese Unmöglichkeit wird durch die Sonne noch mehr verstärkt. Halten Sie mal ein Stecknadelkopf in das Fernlicht eines Autos, so dass Auge, Stecknadelkopf und Fernlicht auf einer Ebene sind. Sehen Sie den Stecknadelkopf oder haben Sie Ihre Augen aus Reflex zugekniffen, da sie sonst erblinden würden? Genau so ist es mit dem Neumond. Um den Neumond zu finden, müssten er vor oder in der ummittelbaren Umgebung der Sonne gesucht werden. Da es sich beim Hilâl um die jüngsten Mondsichel nach dem Neumond handelt, muss ein bestimmter Abstandswinkel zwischen Sonne und Mond vorliegen, um den Mond zu sichten (siehe oben Unterschied zwischen Hilâl und Neumond!!!).

Der Text ist noch zu ergänzen!

Problematik bei der Hilalsichtung

Die Tag-Datums-Problematik - ein globales Problem

Bei dem Begriff „Tag“ und dem Begriff „Datum“ handelt es sich um zwei verschiedene Dimensionen. Ein „Tag“ ist ein, durch sinnliche Wahrnehmungen begrenztes, Phänomen und als solches im Qur’ān und in der Šarīʿa (dem islamischen Gesetz, ….dem sicheren Weg zu Allāh) beschrieben. Im astronomischen Sinn ist ein „Tag“ nicht wirklich existent, weil er nie endet, sondern sich ohne Unterbrechung von einer Stelle der Erdoberfläche zu einer anderen verschiebt. Das „Datum“ dagegen ist ein Kommunikationsinstrument, welches in Bezug auf beobachtbare Bewegungsabläufe der Planeten unterschiedlich definiert werden kann (verschiedene Sonnenkalender, Mondkalender) und nicht grundsätzlich mit dem Erlebnis des Sonnenauf- und/oder -unterganges gleichzusetzen ist. Dies zu verstehen ist entscheidend, will man die tiefere Bedeutung der Hilāl-Sichtung für die Seele erfassen.

Der Tag im „Westen“ ist genau 24 Stunden lang. Der neue Tag beginnt um 0 Uhr lokaler Zeit. Man hat für den Sonnenkalender eine internationale Datumsgrenze ausgearbeitet, wo das Datum und der Tag wechseln, wenn man diese Linie überquert. Im Islam dagegen hört der Tag mit dem Sonnenuntergang auf und der nächste Tag bricht an, somit wechselt der Tag schon in den Abendstunden und der Tagesbeginn und die Tageslänge variieren je nach der geographischen Lage des Ortes.

Wird der Hilāl nach dem Sonnenuntergang gesichtet, so hat der nächste Tag angefangen. Im Ramaḍān ist es so, dass an diesem Abend schon das Tarāwiḥ-Gebet abgehalten wird, weil wir uns in Monat Ramaḍān befinden. Und wird der Hilāl nach 29. oder 30. Tagen Ramaḍān wieder am Abend gesichtet, so hat der Monat Šawwāl angefangen und das Tarāwiḥ-Gebet wird an diesem Abend nicht verrichtet. Nicht das „Datum“ bestimmt den Monatsanfang, sondern der „Tag“!

In der Zeit der globalen Telekommunikation nimmt man an, dass die Sichtung in Amerika auch für Europa gelte. Strikt nach dem oben aufgeführten Gründen dürfte dies nicht der Fall sein. Deutlich wird es im folgenden Beispiel: Nehmen wir mal an, dass der Hilāl am 1. nur auf Hawai’i gesichtet werden kann und nirgends woanders auf der Erde. Die Sichtung dort müsste ca. 18 Uhr erfolgen. In Deutschland wäre das genau der 2. um 4 Uhr morgens, noch vor Sahūr. In Tokio wäre es auch der 2. aber am Mittag um 13 Uhr. Sahūr wäre dort schon vor ca. 8 Stunden gewesen. Deshalb kann eine Sichtung des Hilāls in Amerika nicht für Asien gelten. Wird die aktuelle Mondsichtung in Amerika von Europa akzeptiert, so entsteht eine Diskrepanz, die zum Widerspruch führt.

Die ʿUlamā’ aber akzeptieren alle Sichtungen unabhängig vom Ort vor der lokalen Sahūr-Zeit! Diese Entscheidung beruht auf dem Meiden von Zwietracht (näheres bald).

Die Uneinheitlichkeit der Umma - ein europäisches Problem

In Regionen wie Europa und Nord-Amerika, wo es keine einheitlichen islamischen Instanzen gibt, finden Ramaḍān-Anfänge und islamische Feste an gleichen Orten zu verschiedenen Zeiten statt. Es ist in Europa, besonders in Deutschland so, dass tatsächlich Muslime die anderen Organisationen oder die eigene heftigst kritisieren! Um das Problem der Monatsanfänge aus der Welt zu schaffen, muss ein europäisches einheitliches Komitee zur Mondsichtung gegründet werden. Dies wäre auch ein Schritt zum inneren Dialog unter islamischen Organisationen. Aber allein hier sind wir überfordert. Die Umma ist gespalten und gegenseitig wird sich Zwietracht vorgeworfen. Es haben sich Gruppierungen gebildet, die verschiedene Kriterien zur Sichtung des Mondes heranziehen:

  1. Die erste Gruppe (Ahlu l-sunna wa-l-ǧamāʿa) sagt, dass das Sichten des Mondes mit dem Auge und nach manchen auch in dem Gebiet, in dem man lebt geschehen müsse, damit der Ramaḍān verbindlich wird. Ein Zeuge muss als vertrauenswürdig gelten und er muss ein Muslim sein.
  2. Die zweite Gruppe sagt, dass das Sichten des Mondes zwar mit den Augen, aber irgendwo auf der Welt stattfinden kann. Dadurch würde der Ramaḍān verbindlich. Dieser Meinung setzen wir entgegen, dass dies nicht die Ansicht der vier Rechtsschulen ist, sondern vielmehr eine vielleicht gut gemeinte Idee, welcher das Streben nach Einheit unter den Muslimen zu Grunde liegt. Es gibt aber keinerlei Notwendigkeit oder Sinn, dass der Fastenmonat überall in der Welt zum gleichen Datum beginnen und enden sollte. Es ist ein interessantes Phänomen am Rande, dass viele derjenigen, welche ihre Regierungen als ungläubig bezeichnen, gerade in dieser Angelegenheit aber der jeweiligen Regierung ungeprüft vertrauen. Das beliebte Argument der Vermeidung von Fitna (Uneinigkeit, Zwietracht unter den Gläubigen) ist hier nicht anwendbar und besonders deshalb nicht, weil regelmäßige Falschmeldungen in den Medien über das Sichten des Hilāl nachweislich bekannt sind.
  3. Die dritte Gruppe sagt, man müsse die ganze Angelegenheit grundsätzlich berechnen, weil „sehen“ mit „wissen“ gleichzusetzen sei und die Berechnung sei dann für alle Muslime bindend. Zur Rechtfertigung werden linguistische Überlegungen herangezogen. Diese absurde, der Sunna und der Anordnung des Propheten (der Friede Allāhs sei mit ihm) zuwidersprechende Ansicht ist keiner weiteren Beachtung wert. Diese Gruppe gehört dem extremen Kultur-Islam an und es ist fraglos, dass sie die Anordnung, sowohl als auch die Sunna (das praktische Beispiel) des Propheten (der Friede und der Segen Allāhs seien auf ihm) missachtet.

In islamischen Ländern bestimmt die Regierung, wann ein Monat für dieses Land anfängt. In Deutschland und Europa dagegen gibt es die dominierenden Organisationen a) DITIB, welche eine Institution der Türkischen Republik ist (dem Kulturministerium untergeordnet), und die zivile und unabhängige Organisation b) IGMG (Islamische Gemeinschaft Milli Görüš).

DITIB folgt der Türkischen Republik, welche sich nicht nach der aktuellen Sichtung des Mondes, sondern nach Berechnungen der Sichtbarkeit des Mondes richtet. Ihre Kriterien für die Sichtung des Monats sind: Eine Elongation von mehr als 8 Grad und einer Höhe von 5 Grad, welches die aktuelle Sichtung nicht ersetzen kann und auch sehr ungenau definiert ist (siehe http://www.diyanet.gov.tr/vakithes/toplanti.html türkisch!).

IGMG richtet nach der hanīfitischen Rechtschule, die besagt, dass der Zeuge ein vertrauenswürdiger Muslim sein muss, wonach anonyme Medienmeldungen aus Ländern, deren Regierungen bereits offenkundig gegen die Šarīʿa gerichtete Ansichten eingeführt haben, besser nicht zu berücksichtigen sind, es sei denn, die volle Dokumentation der Sichtbarkeit wurde vertrauenswürdig erbracht (Name, Adresse, Ort) und die astronomischen Bedingungen schließen die Sichtbarkeit nicht aus. Vom 19.-23. Juli 1999 fand in Köln aufgrund einer offiziellen Einladung der Milli Görüš die 3. Reguläre Konferenz des European Council for FATWA and Research statt. An dem Treffen nahmen unter dem Vorsitz von Yūsuf al-Qaraḍāwiyy die meisten Mitglieder des Councils teil.

Nach organisatorischen Dingen wurden bei diesem Treffen einige Fragestellungen, mit denen auf die Vereinigung herangetreten wurde, behandelt, und man kam zu Entscheidungen bezüglich dieser Fragestellungen. Im folgenden werden einige der wichtigsten dieser Fragestellungen und die diesbezüglichen Entscheidungen in zusammengefasster Form vorgestellt.

Der Beginn und das Ende des Ramaḍān und der Einfluss von astronomischen Berechnungen

Der Ramaḍān fängt dann an bzw. ist dann zu Ende, wenn in irgendeinem islamischen Land der Neumond im Sinne der Šarīʿa gesichert gesehen wurde – dabei ist es egal, ob er mit bloßem Auge oder mit Hilfe eines Teleskops gesehen wurde. Denn der Gesandte Allāhs (Allāhs Segen und Heil auf ihm) hat in einem Saḥīḥ-Ḥadīṯ gesagt: „Wenn ihr den Neumond (arab. Hilāl) gesehen habt, dann fastet, und wenn ihr ihn gesehen habt, dann brecht das Fasten“ und „Fastet, wenn ihr ihn gesehen habt und brecht das Fasten, wenn ihr ihn gesehen habt“ (arab. sumū li-ru’yatihi wa-ftirū li-ru’yatihi).

Jedoch muss es - gemäß astronomischer Berechnungen – überhaupt möglich sein, dass der Neumond in irgendeinem Gebiet prinzipiell gesehen werden kann.

Falls die Aussagen von Zeugen, die behaupten, den Mond gesehen zu haben, den astronomischen Berechnungen widersprechen, so ist die Zeugenaussage abzulehnen, da durch eine Zeugenaussage nicht ein hundertprozentiger Beweis für die Wahrheit eines Tatbestandes angesehen werden kann. Eine korrekte mathematische Berechnung ist jedoch ein hundertprozentiger Beweis. Und eine nicht hundertprozentige zweifelsfreie Beweisführung kann nicht einer hundertprozentigen Beweisführung opponieren, und schon gar nicht einer hundertprozentigen Beweisführung vorgezogen werden. Darin stimmen die Gelehrten überein.

In dem Fall also des Widerspruchs gegenüber absolut korrekten astronomischen Aussagen wird eine Zeugenaussage, den Mond gesehen zu haben, als (optische) Täuschung, als Fehler oder als Lüge zurückgewiesen.

Die Vereinigung legt Wert darauf hinzuweisen, dass mit astronomischen Berechnungen solche Rechnungen gemeint, die die Mathematik und die moderne Astronomie als Grundlage haben und nicht etwa die vom Islam überhaupt zurückgewiesene astrologische Sterndeuterei (arab. tanǧīm) oder etwa die Aussagen von diversen Gebetszeitenkalendern. (Aus: „Al-Europiya“, Juli 1999, Aktuelle Fatwās für in Europa auftretende Fragestellungen – The European Council for FATWA and Research, 3. Reguläre Konferenz vom 19.-23. Mai in Köln)

Viele Muslime verschiedener Herkunft folgen auch ihrem eigenen Mutter- oder Vaterland, z.B. Marokkaner fangen mit Marokko an und hören mit dem Fasten synchron mit Marokko auf.

Die Saudi-Problematik

Viele Muslime denken, dass die „Heimat des Islams“ Saudi-Arabien ihre Monatsanfänge nach der Sichtung des Hilāls ausrichtet. Aber in den letzten Jahren wurde es für viele Muslime und Astronomen ersichtlich, dass Saudi-Arabien sich nicht nach der aktuellen Sichtung des Hilāls richtet.

Konkrete Beispiele:

Ramaḍān 1419 n.H.Šawwāl 1419 n.H.Šawwāl 1420 n.H.

Neumond (nicht sichtbar): 18. Dezember 1998 um 22.42 Uhr

Neumond (nicht sichtbar): 17. Januar 1999 um 15:46 Uhr

Neumond (nicht sichtbar): 6. Januar 2000 um 18.14 Uhr

Saudi-Arabien publiziert, dass der 19. Dezember 1998 der 1 . Ramaḍān 1419 n.H. sei! D.h. dass der Hilāl am Abend (ca. 18 Uhr) des 18. Dezembers 1998 hätte gesichtet werden müssen. Das ist aber astronomisch unmöglich, weil der Mondzyklus um die Zeit nicht abgeschlossen war und sich erst der Konjunktion näherte (siehe CrashKurs)! Mögliche Sichtung wäre frühestens am 19. Dezember 1998, so dass der 20. Dezember 1998 der 1. Ramaḍān 1419 n.H. ist!
Quelle: Ramaḍān 1419 AH
Saudi-Arabien veröffentlicht, dass der 18. Januar 1999 der 1. Šawwāl 1419 n.H. ist (also 1. Ramaḍan- Festtag)! D.h. dass der Hilāl am Abend (ca. 18 Uhr) des 17. Januars 1999 hätte gesichtet werden müssen. Diese Hilāl-Sichtung ist astronomisch unmöglich, weil das Alter des Mondes weniger als 15 Stunden (ein Kriterium für die Sichtbarkeit des Mondes mit bloßen Augen; 12 Stunden für Teleskop, siehe CrashKurs) gewesen ist. Mögliche Sichtung wäre frühestens am 18. Januar 1999, so dass der 19. Januar 1999 der 1. Šawwāl 1419 n.H. ist. Saudi-Arabien musste aber den 18. Januar 1999 zum 1. Šawwāl deklarieren, weil sie 30 Tage Ramaḍān vollendet hatten. Dies wiederum ist auf den falschen Anfang des Ramaḍāns zurückzuführen! Ein Fehler folgt dem anderen!
Quelle: Šawwāl 1419 AH
Saudi-Arabien veröffentlicht, dass der 7. Januar 2000 der 1. Šawwāl 1420 n.H. ist (also der 1. Ramaḍān-Festtag). D.h. dass der Hilāl am Abend (ca.18 Uhr) des 6. Januars 2000 hätte gesichtet werden müssen. Wie sie oben entnehmen können ist es astronomisch unmöglich, dass der Hilāl an diesem Tag gesehen werden konnte, da um die Zeit die Konjunktion stattfand. Erst 15 Stunden nach der Konjunktion hätte man den Hilāl sehen können! Mögliche Sichtung wäre am 7. Januar 2000, so dass der 8. Januar 2000 der 1. Šawwāl 1420 n.H. ist.
Quelle: Šawwāl 1420 AH

Wie stellt Saudi-Arabien seine Monatsanfänge fest?

Saudi-Arabien benutzt offiziell den Ummu l-Qurā-Kalender. Der Ummu l-Qurā-Kalender ist ein von der Mondsichtung unabhängiger Kalender. Er ist nach bestimmten Regeln definiert, so dass man den Kalender z.B. für das Jahr 2010 käuflich erwerben könnte. In diesem Kalender kann man nachschlagen, wann ein Monatsumbruch stattfindet. Das gilt natürlich für die Monate wie Ramaḍān, Šawwāl und Dhū l-Hiǧǧa, was nach dem islamischen Recht nicht akzeptabel ist, da es die aktuelle Mondsichtung verlangt.

Nach 1420 n.H. hat Saudi-Arabien den Ummu l-Qurā-Kalender neu definiert. Die Monatswechsel wurden bisher folgend definiert:

  • Monatsumbruch, wenn bei Sonnenuntergang in Makka der Mond älter gleich 12 Stunden ist. z.B. 29. Dezember ist der 29 Šaʿbān und der Neumond entsteht nach Sonnenuntergang in Riyāḍ, z.B. um 11 Uhr am 29. Dezember. Am nächsten Tag (30. Dezember) beim Sonnenuntergang (z.B. um 5 Uhr) wird das Alter des Mondes 18 Stunden sein, was größer ist als 12 Stunden, so dass der 30. Dezember 1. Ramaḍān ist, obwohl der Neumond am 29. Šaʿbān nicht einmal beim Sonnenuntergang entstanden ist. Und in solchen Fällen geht meistens der Mond eher als die Sonne unter. Astronomisch wäre es unmöglich den Hilāl an diesem Abend zu sehen.

Nach der neuen Ordnung (zur Zeit praktiziert):

  • Monatsumbruch, wenn die Sonne in Makka eher als der Mond untergeht.
  • KEIN Monatsumbruch, wenn der Mond in Makka eher als die Sonne untergeht.

z.B. am 7. Dezember 1999 (29 Šaʿbān), die Sonne wird in Makka um 17:38 lokaler Zeit untergehen, und der Mond wird um 17:29 Uhr untergehen. Wenn der Mond eher als die Sonne untergeht, ist der 8. Dezember NICHT der 1. Ramaḍān! Folglich 1. Ramaḍān wird am 9. Dezember sein.

Unten finden wir zwei verschiedene Kalenderblätter des selben Tages. Rechts sehen wir den Kalender nach der alten Ordnung, welches vor der Änderung der Ordnung gedruckt wurde. Es zeigt, dass der 1. Ramaḍān 1420 n.H. der 8. Dezember 1999 ist. Und im Gegensatz dazu finden wir auf der linkem Seite den Ummu l-Qurā-Kalender 1420 n.H., welcher zeigt, dass der 1. Ramaḍān 1420 n.H. der 9. Dezember 1999 ist.

Quelle: Actual Saudi Dating System

Qur'ān und Mond

Den gestirnten Himmel und die Zeichen an ihm findet man vielfach und immer wiederkehrend im edlen Qurʾān erwähnt. Dies ist auch ein Hinweis darauf, wie hoch der Stellenwert der Beschäftigung mit den Gestirnen im Islam sein sollte, sei es nun in einer aktiven Form durch das Studium der Astronomie oder auch einfach nur passiv in ehrfürchtiger Bewunderung dieser sehr prominenten Zeichen von Allāhs Schöpfung. Die Menschen und insbesondere die großen islamischen Gelehrten des Mittelalters wussten diesen Zeichen noch die gebührende Achtung entgegenzubringen und besaßen ein tiefgreifendes Verständnis darüber, heutzutage ist davon leider nur noch sehr wenig vorzufinden.

Die Erwähnungen des Mondes im edlen Qurʾān lassen sich thematisch in unterschiedliche Themen gliedern, die im Folgenden jeweils zusammenhängend dargestellt werden. Insbesondere die Zuordnung zu den ersten beiden Themen ist allerdings zum Teil willkürlich, da hier die Übergänge fließend sind.

Die Schöpfung

  • Euer Herr ist ja Allah, der die Himmel und die Erde geschaffen hat, in sechs Tagen, dann hat Er den Thron eingenommen, Er läßt die Nacht die Tageszeit einhüllen, sie sucht sie hurtig, und die Sonne und den Mond und die Sterne, Seinem Auftrag untergeben. (al-Aʿrāf, 7.54)
  • Hast du nicht gesehen, daß sich vor Allah niederwirft, wer in den Himmeln und wer auf der Erde ist, und die Sonne und der Mond und die Sterne und die Felsenberge und die Bäume und die Tiere und viele von den Menschen? (al-Ḥaǧǧ, 22.18)
  • Segenreich ist Der, welcher im Himmel Sternbilder gemacht hat, und der dort eine Lampe und einen Mond als Leuchte gemacht hat, Und Er ist es, der die Nacht und die Tageszeit aufeinander folgen läßt, für den, der sich erinnern lassen möchte oder dankbar sein möchte. (al-Furqān, 25.61-62)
  • Und wenn du sie fragen würdest: ‚Wer hat die Himmel und die Erde geschaffen und hat die Sonne und den Mond dienstbar gemacht?‘ Ganz bestimmt sagen sie: ‚Allah!‘ (al-ʿAnkabūt, 29.61)
  • Und manche von Seinen Zeichen sind die Nacht und die Tageszeit und die Sonne und der Mond. Werft euch nicht um der Sonne willen nieder und nicht um des Mondes willen, sondern werft euch nieder um Allahs willen, der sie geschaffen hat, wenn ihr Ihm dient. (Fuṣṣilat, 41.37)
  • Seht ihr nicht, wie Allah sieben Himmel in passenden Schichten geschaffen hat, Und Er den Mond in ihnen als Licht gemacht hat, und Er hat die Sonne als Lampe gemacht? (Nūḥ, 71.15-16)

Astronomische Beschreibungen, Zeitrechnung

  • Sie fragen dich nach den Neumonden. Sag: Es sind festgesetzte Zeiten für die Menschen und die Wallfahrt, ... (al-Baqara, 2.189)
  • Er läßt den Morgen anbrechen, und Er hat die Nacht zur Ruhe gemacht und die Sonne und den Mond als Berechnungsmaß, dies ist das Bemessen des Mächtigen, des Wissenden. (al-Anʿām, 6.96)
  • Er ist es, der die Sonne als erhellendes Licht gemacht hat und den Mond als Leuchte, und Er hat für ihn Stationen bemessen, damit ihr die Zahl der Jahre kennt und die Berechnung. Allah hat dies nur gemäß der Wahrheit geschaffen, Er macht die Zeichen deutlich für wissende Leute. Ja, im Unterschied von Nacht und Tageszeit und was Allah geschaffen hat in den Himmeln und der Erde, sind bestimmt Zeichen für gottesfürchtige Leute. (Yūnus, 10.5-6)
  • Allah ist es, der die Himmel erhoben hat, ohne Säulen, die ihr seht, dann hat Er den Thron eingenommen, und Er hat die Sonne und den Mond dienstbar gemacht, jeder läuft zu einer festgesetzten Frist, Er lenkt die Angelegenheit, Er verdeutlicht die Zeichen, damit ihr vielleicht über das Zusammentreffen mit eurem Herrn sicher seid. (al-Raʿd, 13.2)
  • Und Er hat euch die Sonne dienstbar gemacht und den Mond, zwei Unermüdliche, und Er hat euch die Nacht dienstbar gemacht und die Tageszeit, Und Er hat euch gegeben von allem, was ihr von Ihm erbeten habt, und wenn ihr die Gnaden Allahs zählen würdet, ihr errechnet sie nicht... (Ibrāhīm, 14.33-34)
  • Und Er hat euch die Nacht dienstbar gemacht und die Tageszeit, und die Sonne und der Mond und die Sterne sind dienstbar gemäß Seinem Befehl. Hierin sind ja bestimmt Zeichen für Leute, die Verstand haben. (al-Naḥl, 16.12)
  • Und Er ist es, der die Nacht geschaffen hat und die Tageszeit und die Sonne und den Mond. Jeder schwebt in einer Himmelssphäre, (al-Anbiyāʾ, 21.33)
  • Siehst du nicht, daß Allah die Nacht übergehen läßt in die Tageszeit und die Tageszeit übergehen läßt in die Nacht, und Er die Sonne dienstbar gemacht hat und den Mond, jeder läuft zu einer festgesetzten Frist, und daß Allah dessen kundig ist, was ihr tut? (Luqmān, 31.29)
  • Er läßt die Nacht übergehen in die Tageszeit, und Er läßt die Tageszeit übergehen in die Nacht, und Er hat die Sonne und den Mond dienstbar gemacht, jeder läuft zu einer festgesetzten Frist, dies ist Allah, euer Herr, Sein ist die Herrschaft, ... (Fāṭir, 35.13)
  • Und die Sonne läuft zu ihrer Ruhestätte, das ist die Bestimmung des Mächtigen, des Wissenden. Und der Mond, Wir haben ihm Stationen bestimmt, bis er zurückkehrt wie die alte krumme Dattelpalmrispe. Für die Sonne paßt es nicht, daß sie den Mond einholt, und die Nacht kommt nicht der Tageszeit zuvor, und jedes schwebt in einer Himmelssphäre. (Yā-Sīn, 36.38-40)
  • Er hat die Himmel und die Erde in Wahrheit geschaffen, Er windet die Nacht über die Tageszeit, und Er windet die Tageszeit über die Nacht, und Er hat die Sonne und den Mond dienstbar gemacht, jeder läuft zu einer festgesetzten Frist. Ist nicht Er der Mächtige, der Verzeiher? (al-Zumar, 39.5)
  • Die Sonne und der Mond, gemäß Berechnung, Und die Sterne und die Bäume, sie werfen sich nieder, (al-Raḥmān, 55.5-6)

Historische Ereignisse

  • Und als er (Ibrāhīm) den Mond hervorkommen sah, sagte er: ‚Dies ist mein Herr!‘, und als er niederging, sagte er: ‚Wenn mich nicht mein Herr rechtleitet, bin ich ganz bestimmt einer von den fehlgehenden Leuten!‘ (al-Anʿām, 6.77)
  • Als Jusuf zu seinem Vater sagte: ‚Mein Vater, ich habe elf Gestirne gesehen und die Sonne und den Mond, ich sah sie sich vor mir niederwerfen.‘ (Yūsuf, 12.4)

Tag des Gerichts

  • Die Stunde ist nahegerückt, und der Mond wurde gespalten, Und wenn sie ein Zeichen sehen, wenden sie sich ab und sagen: ‚Andauernde Zauberei!‘ (al-Qamar, 54.1-2)
  • Dann, wenn der Blick geblendet ist, Und der Mond verfinstert ist, Und die Sonne und der Mond versammelt sind, Sagt der Mensch an diesem Tag: ‚Wohin die Flucht?‘ (al-Qiyāma, 75.7-10)

Beschwörung

  • Keineswegs! Bei dem Mond, Und der Nacht, wenn sie den Rücken kehrt, Und dem Morgen, wenn er strahlt: (al-Muddaṯṯir, 74.32-34)
  • Also nein! Ich schwöre beim Abendrot, Und der Nacht, und was sie aufnimmt, Und dem Mond, wenn er zunimmt: (al-Inšiqāq, 84.16-18)
  • Bei der Sonne und ihrer Morgenhelle, Und dem Mond, wenn er ihr folgt, Und der Tageszeit, wenn sie aufhellt, Und der Nacht, wenn sie sie einhüllt, Und dem Himmel, und was ihn erbaut hat, Und der Erde, und was sie ausgedehnt hat, (al-Šams, 91.1-6)

Die Übertragungen der Qurʾānverse wurden entnommen aus Ahmad v. Denffer: „Der Koran. Die Heilige Schrift des Islam in deutscher Übertragung.“ 3. Auflage, München 1997.

Ahmad Kaufmann

Gebetszeiten

Aus sicherlich mehreren Aḥādīṯ zu diesem Thema möchte ich einen der ausführlichsten zitieren:

Von Ibn ʿAbbās (ra): Allāhs Gesandter (sas) hat gesagt: „Ǧibrīl (as) hat mich zweimal beim Hause [die Kaʿba in Makka] [im Gebet] geleitet, und er betete Ẓuhr [Mittagsgebet] mit mir, als die Sonne sich so weit wie ein Sandalenband gesenkt hatte, und er betete ʿAṣr [Nachmittagsgebet] mit mir, als die Schatten so lang wie die Gegenstände [selbst] waren, und er betete Maġrib [Abendgebet] mit mir, wenn der Fastende sein Fasten bricht, und er betete ʿIšā’ [Nachtgebet] mit mir, als die Dämmerung vergangen war, und er betete Faǧr [Morgengebet] mit mir, wenn dem Fastenden Essen und Trinken verwehrt sind. Am nächsten Tag betete er Ẓuhr mit mir, als sein Schatten so lang [wie er selbst] war, und er betete ʿAṣr mit mir, als sein Schatten zweimal so lang [wie er selbst] war, und er betete Maġrib mit mir, wenn der Fastende sein Fasten bricht, und er betete ʿIšā’ mit mir, als ein Drittel der Nacht [vergangen war], und er betete Faǧr mit mir, als [die Morgenröte] erstrahlte. Dann wandte er sich mir zu und sagte: ,O Muḥammad, dies sind die Zeiten der Propheten vor dir, und die Zeiten [der fünf täglichen Gebete] sind [jeweils] zwischen diesen beiden Zeiten.’“ (Überliefert von Abū Dāwud und Tirmiḏiyy)

Dieser Ḥadīṯ ist sehr ausführlich, er gibt die Zeitspannen für die fünf täglichen Gebete an und die Zeitpunkte sind zum Teil astronomisch definiert, für Faǧr und Maġrib wird zum Teil Bezug auf das Fasten genommen. In diesem Fall hilft uns der heilige Qur’ān weiter, in dem steht:

„... und esst und trinkt, bis für euch der weiße Faden vom schwarzen Faden der Morgendämmerung klar geworden ist, dann erfüllt das Fasten bis zur Nacht...“ (al-Baqara, 2:187, Übertragung nach A.v.Denffer)

Wichtig ist in diesem Zusammenhang dann auch noch der folgende Ḥadīṯ:

ʿAdiyy Ibn Hātim (ra) berichtete: „Als der Qur’ānvers ,... bis für euch der weiße Faden vom schwarzen Faden der Morgendämmerung klar geworden ist...’ (2:187) offenbart wurde, nahm ich einen weißen und einen schwarzen Strick und legte die beiden unter mein Kopfkissen. In der Nacht verglich ich laufend die beiden gegeneinander und habe den Farbunterschied nicht erkannt. Als der Morgen anbrach, suchte ich den Gesandten Allāhs (sas) auf und erzählte ihm dies. Er sagte zu mir: ,Damit ist nur die Finsternis der Nacht und die Helligkeit des Tages gemeint!’“ (Überliefert von Buḫāriyy)

Definition der Zeitpunkte

Nach diesen Vorbereitungen kann man jetzt die im ersten Ḥadīṯ genannten Zeitpunkte genauer astronomisch definieren. Ich beginne mal mit den einfacheren Fällen:

Ẓuhr (Öğle Namazı, Mittagsgebet)

Astronomischer Mittag ist dann, wenn die Sonne im Süden am höchsten am Himmel steht. Dieser Zeitpunkt ist abhängig vom Längengrad des Beobachters, für jeden Längengrad weiter westlich ist der astronomische Mittag vier Minuten später. Außerdem schwankt dieser Zeitpunkt für einen festen Beobachtungsort im Laufe eines Jahres um bis zu ca. 20 Minuten um einen Mittelwert herum (Fachbegriff: Zeitgleichung), Ursache ist die periodisch veränderliche Geschwindigkeit der Erde auf ihrer elliptischen Bahn um die Sonne herum, während die Rotationsgeschwindigkeit der Erde um sich selbst konstant bleibt. Wie der erste Ḥadīṯ sagt, wird das Mittagsgebet nicht direkt zum Zeitpunkt des astronomischen Mittags verrichtet, sondern eine kurze Weile danach (um sich von heidnischen Sonnenanbetern abzugrenzen). Diese kurze Weile danach, wenn sich „die Sonne so weit wie ein Sandalenband gesenkt“ hat, lässt sich nicht wissenschaftlich exakt definieren. In den erhältlichen Gebetskalendern wird da oft (ohne näheren Hinweis darauf!) einfach willkürlich 5 Minuten zum astronomischen Mittag addiert. Man sollte sich aber immer bewusst sein, dass das eine reine Konvention ist, diese fünf Minuten sind nirgends definiert, es könnten genauso gut z.B. sechs oder sieben oder fünfeinhalb sein.

ʿAṣr (Ikindi Namazı, Nachmittagsgebet)

Beginn des Zeitraums für ʿAṣr ist, wenn der Schatten eines Gegenstandes so lang ist, wie der Gegenstand selbst. In Makka steht die Sonne im Sommer mittags im Zenit, in nördlicheren Breiten steht aber die Sonne manchmal so flach am Himmel, dass der Schatten mittags schon länger ist, wie der Gegenstand. Eine wirklich geniale Erweiterung von Ǧibrīls (as) Anweisung ist daher, dass man sagt: Beginn des Zeitraums für ʿAṣr ist, wenn der Schatten eines Gegenstandes einmal um die Länge des Gegenstandes länger ist, wie der Schatten des Gegenstand selbst am Mittag. Diese „Formel“ funktioniert überall auf der Welt und sie beinhaltet natürlich den „Sonderfall“ von Makka, wenn nämlich ein Gegenstand am Mittag überhaupt keinen Schatten wirft. Ebenso lässt sich dann das Ende des Zeitraums für das ʿAṣr-Gebet definieren als dann, wenn der Schatten eines Gegenstandes zweimal um die Länge des Gegenstandes länger ist, wie der Schatten des Gegenstand selbst am Mittag (Anmerkung: Ḥanīfitische Rechtsschule beginnt dann z.T. erst das ʿAṣr-Gebet). Nach dieser Formel lassen sich weltweit die Zeiten für die ʿAṣr-Gebete astronomisch exakt auf die Minute berechnen.

Maġrib (Akşam Namazı, Abendgebet)

Auch hierfür lässt sich der Zeitpunkt des Sonnenuntergangs astronomisch exakt berechnen. Zu beachten ist aber der Effekt der Refraktion, was bedeutet, dass die Lichtstrahlen beim Durchlaufen der Atmosphäre gekrümmt werden. Das wirkt sich nur merklich aus, wenn die Lichtstrahlen einen sehr weiten Weg durch die Atmosphäre nehmen, aber das tun sie gerade beim Sonnenuntergang. Der Effekt ist so groß, dass die Sonne in Wirklichkeit schon ganz untergegangen ist, wenn scheinbar gerade ihr unterer Rand den Horizont berührt (Hört sich etwas verrückt an, aber man kann versuchen sich vorzustellen, dass die Lichtstrahlen hinter den Horizont gekrümmt sind, unser Auge bzw. Gehirn aber natürlich davon ausgeht, dass sie gerade verlaufen, und dadurch erscheint das, was schon unter dem Horizont ist eben noch darüber). Dieser Effekt ist nicht absolut stabil, sondern von Temperatur, Luftdruck usw. abhängig. In den Gebetskalendern wird dieser Effekt in der Regel näherungsweise, aber mit ausreichender Genauigkeit berücksichtigt. Ein weiterer Effekt beim Sonnenuntergang tritt auf, wenn der Beobachter z.B. auf einem sehr hohen Berg steht und die Sonne beim wahren Horizont (z.B. über dem Meer) untergeht. Dann geht sie natürlich für den Beobachter auf dem Berg später unter als für jemanden auf Meereshöhe. In den Gebetskalendern wird „um sicher zu gehen“ wieder gerne (und ohne darauf hinzuweisen!) ein willkürliches Sicherheitspolster von ein paar Minuten nach dem astronomischen Sonnenuntergang dazu addiert. Hier gilt das gleiche wie zuvor gesagt: Das ist eine reine Konvention, dafür gibt es absolut keine Begründung in der Sunna. Im Zusammenhang mit dem Fasten kann sogar davon ausgegangen werden, dass ein solches willkürliches „Sicherheitspolster“ der Sunna widerspricht, da der Fastende sein Fasten sofort nach Sonnenuntergang brechen soll.

ʿIšā’ (Yatsı Namazı, Nachtgebet)

Jetzt kommt der schwierigste Fall. Für den frühesten Zeitpunkt dafür gibt es in der Sunna keine exakte Definition („als die Dämmerung vergangen war“). Um da überhaupt eine mathematisch fassbare Regel zur Berechnung eines Gebetskalenders zu erhalten, nehmen viele einfach eine feste Zeitspanne nach Sonnenuntergang an, z.B. 1h 30m oder 1h 40m. Dies ist aber völlig unwissenschaftlich und zudem noch falsch! In der Astronomie hat man eine Einteilung des Grades der Dämmerung nach der Tiefe der Sonne unter dem Horizont festgelegt (Depressionswinkel). Man bezeichnet es als „Bürgerliche Dämmerung“, wenn die Sonne 6° unter dem Horizont ist. Das entspricht etwa dem Zeitpunkt, wenn man im Haus das Licht einschaltet. Am Himmel kann man dann gerade die allerhellsten Sterne erkennen. Die nächste Stufe heißt „Nautische Dämmerung“, wenn die Sonne 12° unter dem Horizont ist. (Sie heißt übrigens so, weil man zu diesem Zeitpunkt auf dem Meer den Horizont nicht mehr erkennen kann und daher keine Positionsbestimmung mit dem Sextanten mehr vornehmen kann.) Zu diesem Zeitpunkt ist es unter idealen Bedingungen schon fast völlig dunkel, man kann die Horizontlinie also gerade nicht mehr erkennen, die Sterne sind von den helleren bis zu den schwächeren zu sehen, die allerschwächsten aber gerade noch nicht. Die dritte Stufe heißt „Astronomische Dämmerung“, wenn die Sonne 18° unter dem Horizont ist. Dann ist es völlig dunkel, man kann die schwächsten Sterne erkennen.

Dämmerungsstufen

Man muss nun wissen, dass die Zeitdauer vom Sonnenuntergang bis zu den einzelnen Dämmerungsstufen im Laufe des Jahres an einem Beobachtungsort nicht konstant ist. Zum Beispiel dauert es vom Sonnenuntergang bis zum Eintritt der Nautischen Dämmerung auf etwa 50° nördlicher Breite im Frühjahr und Herbst etwa 1h 10m, im Sommer aber bis zu 1h 50m und im Winter etwa 1h 20m. Daran sieht man schon, dass die Regel mit der festen Zeitspanne nicht funktioniert, denn dies entspricht eben im Laufe eines Jahres verschiedener „Tiefe“ der Dunkelheit. Bei vielen „professionelleren“ Gebetskalendern verwendet man daher eine dieser „Sonne-x°-unter-dem-Horizont“-Regeln, und zwar meistens 18° (entspricht der Astronomischen Dämmerung), aber auch 16° oder 15°, aber das wird in der Regel gar nicht näher erwähnt.

Ich persönlich habe aber meine Probleme mit dieser Astronomischen Dämmerung und zwar aus zwei Gründen: Erstens wird der Zustand der Astronomischen Dämmerung im Sommer schon in der Mitte Deutschlands und weiter nördlich gar nicht mehr erreicht, d.h. die Sonne geht dort im Sommer gar keine 18° unter den Horizont („helle Nächte“). Man muss dann wieder zur Bestimmung der Zeit des Nachtgebets irgendwelche mathematische Hilfskonstruktionen verwenden. Zweitens finde ich auch (nur meine persönliche Meinung), dass die Astronomische Dämmerung mit ihrer quasi völligen Dunkelheit nicht der Sunna entspricht, nach der man ja den Eintritt der Dämmerung irgendwie schon erkennen muss (z.B. die Sache mit den Fäden). Ich verwendete daher früher aus diesen beiden Gründen zur Bestimmung der Zeit des Nachtgebets die Nautische Dämmerung (Sonne 12° unter dem Horizont), die mir von der Beschreibung her angemessener erschien, siehe noch mal die obige Beschreibung der Dämmerungsstufen. In der jüngeren Vergangenheit habe ich aber diese Praxis abgewandelt. Durch langjährige Beobachtung des Himmels nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang kam ich zu dem Schluss, dass die Nautische Dämmerung doch noch einem etwas „zu hellen“ Grad der Dämmerung entspricht, vor allem im Sommer. Auch der Vergleich mit wissenschaftlichen Untersuchungen brachte mich daher dazu, dass ich heute einen Dämmerungswinkel von 14° für angemessen halte und auch am ehesten den Vorgaben des Ḥadīṯ entsprechend.

Ganz klar, das sind auch wieder Konventionen, nirgendwo im Qur’ān und Sunna steht etwas von Winkelgraden. Aber ich finde in diesem Fall (im Gegensatz zu den oben erwähnten „Sicherheitspolstern“), dass das dem Islam nicht widerspricht. Auch der Prophet Muḥammad (sas) spezifizierte die Dämmerung nicht genauer, als er antwortete: „Damit ist nur [dasjenige zwischen] der Finsternis der Nacht und der Helligkeit des Tages gemeint!“ Denn wenn Allāh (t) eine astronomisch-mathematisch exakte Definition der Zeit für die Dämmerung gewollt hätte, dann hätte Er es uns genauso mitteilen können, wie für die anderen Gebete. Dies ist aber gerade hier nicht der Fall! Im Islam soll man im Zweifelsfall immer den Mittelweg wählen, und ich persönlich habe für mich daher einen Dämmerungswinkel von 14° gewählt. Aber das muss eben jeder mit seinem Islamverständnis und seinem Gewissen selbst abklären.

Faǧr (Sabah Namazı, Morgengebet) und Šurūq (Güneş, Sonnenaufgang): Hier gilt sinngemäß das gleiche, was zuvor bei ʿIšā’ und bei Maġrib gesagt wurde. Es gibt zudem keinen Anlass, bei der Berechnung zwischen der Dämmerung am Abend (wenn es dunkel wird) und der Dämmerung am Morgen (wenn es hell wird) einen Unterschied zu machen.

Das Problem der kurzen Nächte

Jetzt gibt es aber trotzdem noch ein Problem. Selbst ein Dämmerungswinkel von 14° wird im Norden Deutschlands im Sommer gar nicht mehr erreicht, und auch im Süden Deutschlands wird die Zeit zwischen Abenddämmerung und Morgendämmerung noch unangenehm kurz. Gerade in den vergangenen Jahren fiel der Fastenmonat Ramaḍān in die Sommermonate, wo bei einer strikten Anwendung einer Definition des Faǧr-Zeitpunkts über einen Dämmerungswinkel der Fastende sein Fasten teilweise bereits kurz nach Mitternacht beginnen müsste und die Dauer des Fastens bis zum abendlichen Sonnenuntergang 20 Stunden und mehr erreichen kann. Außerdem ist damit immer noch keine Antwort auf die Frage gegeben, was zu tun ist, wenn ein bestimmter Grad der Dunkelheit überhaupt nicht mehr erreicht wird.

Der Islam legt den Gläubigen keine unerträglichen Beschwernisse auf, auch nicht im Ramaḍān, das kann also nicht „im Sinne der Sache“ sein, dass für bestimmte Weltgegenden die Zeit zwischen Fastenbrechen und Fastenbeginn auf ein bis zwei Stunden oder noch weniger zusammenschrumpft. Im Fiqh gibt es die Regel „Erschwernis bringt Erleichterung“ (al-mašaqqa taǧlibu l-taysīr), es muss also eine Lösung für dieses Problem geben. Nach langem Nachforschen zu diesem Thema bin ich auf das Prinzip des „Subʿu l-layl“ gestoßen, d.h. Ein-Siebtel-der-Nacht. Dieses Konzept wurde bereits von früheren Gelehrten für geographische Problemgebiete eingeführt und besagt im Prinzip: Die Dauer der Dämmerung beträgt (jeweils abends und morgens) maximal ein Siebtel der Nacht (manche definieren auch ein Fünftel oder ein Drittel). Wenn also im Sommer die (sichtbare) Dämmerung sich sehr lange in die Nacht ausdehnt, dann wird spätestens nach einem Siebtel der Nacht „die Reißleine gezogen“ und entsprechend am Morgen. (Anmerkung: Im mālikitischen Maḏhab gilt als „Nacht“ die Zeitspanne zwischen Sonnenuntergang und Faǧr, bei den anderen Maḏāhib die Zeit von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang).

Dieses Prinzip wende ich seither auch für meine Gebetskalender und auch für die Fastenzeiten an. Das Prinzip des Subʿu l-layl wirkt sich in der Mitte Deutschlands etwa zwischen Anfang April und Mitte September aus, zuerst nur unmerklich, dann immer stärker bis zur Zeit des höchsten Sonnenstands, dann wieder abnehmend. Wenn man es etwa in die geographische Breite von Nordafrika überträgt, wirkt es sich überhaupt nicht mehr aus, in Südeuropa wahrscheinlich nur über wenige Tage oder Wochen hinweg. Eine Berechnung dieser Gebetszeiten ist aber relativ aufwendig, mir ist derzeit kein Programm bekannt, das diese Berechnungen in der gewünschten Weise durchführt, ich verwende dafür ein spezielles Worksheet unter Excel.

Schlussbemerkungen

Es gäbe noch eine Menge mehr zu erklären, aber das soll mal reichen. Vielleicht kann man jetzt verstehen, warum man eigenartigerweise in Kalendern unterschiedliche Gebetszeiten finden kann, während Qur’ān und Sunna aber eigentlich nicht überall beliebige Spielräume lassen. Ich finde es daher äußerst bedenklich, wenn viele Muslime irgendwelche Gebetskalender verwenden, die sie irgendwo beim Gemüsehändler mitgenommen haben. Solche Kalender sind zwar sicher von ihren Autoren mit den besten Absichten verfasst, es stellt sich aber zumindest die Frage: Mit welcher Fachkenntnis? In der Regel tragen sie erstens gar keine oder nur ungenaue Angaben, für welchen Ort sie berechnet sind („Berlin“ oder „München“ sind aber z.B. so groß, dass die Gebetszeiten am östlichen und am westlichen Stadtrand schon ein bis zwei Minuten unterschiedlich sein können), außerdem tragen sie in der Regel ebenso wenig einen Hinweis darauf, wer sie berechnet hat, noch auf welchen islamischen, astronomischen und mathematischen Grundlagen das geschehen ist. Ich hätte da jedenfalls ziemliche Bauchschmerzen, wenn ich mich blind auf so was verlassen würde, nur mal nebenbei bemerkt. Ich hoffe, ich habe mit diesem Artikel zunächst mal einiges Interesse an dem Thema geweckt, und zweitens auch einige Anstöße kritisch darüber nachzudenken, was man jeden Tag so tut im guten Glauben, „das ist schon richtig so, weil es ja auf einem Papier steht mit der Basmala oben drauf“. Wenn noch was unklar ist, so bin ich gerne bereit, ausführlichere Auskünfte über den oben stehenden Link zu erteilen.

Wa-l-salām