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Kommentar: Ramadânende - Kein Ruhmesblatt

In diesem Ramadan konnten die Verbände sich nicht auf ein gemeinsames Ende einigen und verärgern viele Muslime - von Sulaiman Wilms, Berlin

(iz). Wir schreiben das Jahr 2006. Die nominell 3,2 Millionen Muslime in Deutschland haben ihre politischen oder auf einzelne Sachthemen hin angelegten Organisationen, Arbeitsgemeinschaften und Dachverbände auf den unterschiedlichsten Ebenen - von einzelnen Städten wie jüngst in Bonn bis zur Bundesebene. Und man wolle, so zumindest der geäußerte Anspruch, auf gleicher Augenhöhe mit der Politik über relevante Fragen verhandeln.

So weit, so gut. Eigentlich, so sollten wir annehmen dürfen, wäre damit nicht nur die Basis gelegt für einen sinnvollen Dialog mit der Mehrheitsgesellschaft, sondern auch, um die religiösen Notwendigkeiten der praktizierenden Muslime untereinander zu regeln. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die flexible religiöse Lebensweise des Islam es einfach macht, sich unterschiedlichen Gegebenheiten anzupassen. Es geht um organisatorisch simple Fragen nach dem gemeinschaftlichen Gebet, der Zakat und der gemeinschaftlichen Bestimmung des Anfangs und des Endes des Monats Ramadan.

Und genau hier tritt die Brüchigkeit der bisherigen Organisationsweise der deutschen Muslime zu Tage. Es ist ein Gemeinplatz, wonach die unterschiedlichen nationalen und politischen Loyalitäten der einstmals emigrierten Muslime in der Vergangenheit dazu führten, dass der Ramadan für die unterschiedlichen Gemeinschaften an verschiedenen Tagen anfing oder endete. Und so haben die Verbände unterschiedliche Sphären der Wirklichkeit geschaffen, wenn verschiedene Moscheen in der gleichen Straße an unterschiedlichen Tagen das Ende des Ramadans begehen.

Zu diesem Zweck wurde eigentlich vor einigen Jahren der so genannte „DIWAN“ (Deutscher Islamwissenschaftlicher Ausschuss zur Bestimmung des Neumondes) ins Leben gerufen. Seine Aufgabe war die verbindliche Festsetzung der Ramadanzeiten. Das angestrebte Ziel wurde nicht erreicht, denn der Rat konnte sich bei seiner entscheidenden Sitzung am 22.10. nicht einigen und zerstritt sich in Folge. Und so hatten wir auch in diesem Jahr zwei unterschiedliche Tage, an denen die deutschen Muslime das Fest des Fastenbrechens begingen. Es muss den vielen, die gemeinsam mit dem DIWAN das Fasten begannen, unfair erscheinen, dass dieser sich nicht auf einen verbindlichen Termin geeinigt hat. Vor allem, wenn dieser (nur für einen Teil seiner Mitglieder) das Ende des Ramadans ohne Erläuterung von Gründen offiziell ausruft.

Was wir brauchen, ist eine politische Repräsentanz (zumindest der praktizierenden Muslime), die in der Lage ist, diese grundlegenden und entscheidenden religiösen Fragen verbindlich und nachvollziehbar zu klären. Die Erfahrung eines gescheiterten „Einheits“-Projektes (erst groß angekündigt und dann heimlich beerdigt) haben wir schon einmal gemacht. Quelle: Islamische Zeitung

Shawwâl-Mond 1427

Erste Sichtung des Shawwâl-Mondes erfolgte am Montag, dem 23. Oktober in Australien. Weitere Sichtungen wurden aus Iran (mit einem starken Fernglas), Yemen, Algerien (mit einem starken Fernglas), Nigeria, Barbados und USA gemeldet.

Quellen: ICOP und Moonsighting Committee Worldwide.

Wann ist `Îdu l-Fitr (Ramazan Bayramı) 1427 n.H.?

Die astronomischen Gegebenheiten zum Beginn des Monats Šawwāl 1427 n.H.

Der geozentrische Neumond des Monats Šawwāl tritt ein am Sonntag, dem 22. Oktober 2006 um 5:15 Uhr UT (d.h. um 7:15 MESZ). Im Verlauf dieses Tages kann die junge Mondsichel bestenfalls mit starken optischen Hilfsmitteln (Teleskopen) im südlichen Argentinien und Chile gesehen werden. In Europa wäre es dann aber bereits ca. 2 Uhr am Morgen des 23. Oktober. Eine Sichtung mit Ferngläsern oder mit bloßen Augen würde nur weiter westlich davon (und damit noch 4-6 Stunden später) im Südpazifik möglich sein. Dort gibt es keine Landmassen und dort finden ebenso wie im südlichen Südamerika auch keine regelmäßigen oder organisierten Beobachtungen des Hilāls statt. Vgl. graphische Darstellung der Sichtbarkeitszone für den 22. Oktober nach dem Yallop-Kriterium, Quelle: Programm MoonCalc von Dr. Monzur Ahmed, GB – siehe hier. Die Berechnung der Sichtbarkeitszonen über das Yallop-Kriterium beruht auf der Auswertung von mehreren Hundert Sichtungen oder Nicht-Sichtungen des Hilāls während der vergangenen 140 Jahre.

(Erläuterung der Sichtbarkeitszonen: A - Hilāl mit bloßen Augen leicht zu sichten; B - Sichtung mit bloßen Augen ist nur unter günstigen Bedingungen zu erwarten; C - Es werden optische Hilfsmittel (z.B. Fernglas) benötigt, um den Hilāl am Himmel aufzufinden, danach kann Sichtung mit bloßen Augen möglich sein; D - Hilāl kann nur mit starken optischen Hilfsmitteln aufgefunden und gesehen werden; Außerhalb der Zonen A-D - kein Sichten des Hilāls mit bloßen Augen oder mit optischen Hilfsmitteln möglich.)

Am darauf folgenden Montag, dem 23. Oktober, wird dann fast überall auf der Welt eine leichte Sichtung der jungen Mondsichel möglich sein: Australien, Indonesien, Indien, Arabien, ganz Afrika, sowie Süd- und Nordamerika. Auch die Südspitze von Spanien liegt noch am Rande der Sichtbarkeitszone, damit besteht die Möglichkeit einer Sichtung in Europa. Vgl. graphische Darstellung der Sichtbarkeitszone für den 23. Oktober nach dem Yallop-Kriterium:

(Erläuterung der Sichtbarkeitszonen A-D: siehe oben)

Unter Anwendung des Prinzips der "lokalen Sichtung" (Ikhtilāfu l-maṭāli`) und unter Betrachtung von Europa als einen zusammenhängenden Sichtungshorizont (Maṭla`) ergibt sich folgende Stellungnahme:

Das gesegnete Fest des Fastenbrechens fällt frühestens auf Dienstag, den 24. Oktober 2006. Wa-Llāhu a`lam.

Da in Europa der Monat Ramaḍān nach dem Prinzip der „lokalen Sichtung“ korrekterweise am Montag, dem 25. September begonnen wurde, wird dort somit im Monat Ramaḍān 29 Tage gefastet werden. D.h. falls keine Sichtungsmeldungen am 23. Oktober eintreffen, besteht auch noch die Möglichkeit, den Ramaḍān mit 30 Tagen zu vollenden.

Unter Anwendung des Prinzips der "globalen Sichtung" (Ittiḥādu l-maṭāli`) könnte bei Vorliegen von zuverlässigen Sichtungsmeldungen aus Argentinien oder Chile am frühen Morgen des 23. Oktober bereits am diesem Tag das Fasten beendet werden. Dazu ist jedoch folgendes zu bemerken: Aus diesen Weltgegenden gab es in der Vergangenheit keinerlei Sichtungsmeldungen, es sind realistischerweise auch an diesem Tag daher keine Meldungen von dort zu erwarten. Außerdem würden Nachrichten von dort wahrscheinlich in jedem Fall zu spät nach Europa gelangen, da hier die Morgendämmerung schon angebrochen sein würde. Daher wird auch bei „globaler Sichtung“ der 23. Oktober noch als Fastentag zu gelten haben und der erste Tag des Fastenbrechen-Festes fällt ebenfalls auf Dienstag, den 24. Oktober. Da unter Anwendung des Prinzips der „globalen Sichtung“ der erste Fastentag auf den 24. September fiel, ist somit der Ramaḍān mit 30 Tagen zu vollbringen. Wa-Llāhu a`lam.

Zur Stellungnahme von ICOP geht's über den unten stehenden Link.

2. Stellungnahme von ICOP zum Ramadân-Fest (Deutsche Übersetzung)

Der folgende Text ist die Übersetzung einer offiziellen Stellungnahme von ICOP zum Šawwāl-Beginn. Der arabische Original-Text kann hier im PDF-Format eingesehen werden.

Im Namen Allāhs, des Allerbarmers, des Barmherzigen

Islamic Crescents’ Observation Project (ICOP) 6.10.2006

Der Ramaḍān hat in diesem Jahr 30 Tage

Ing. Muḥammad Šawkat `Odeh Vorsitzender von ICOP

In diesem Jahr unterschieden sich die islamischen Staaten in der Festlegung des Beginns des gesegneten Monats Ramaḍān dieses Jahres, denn einige Staaten begannen den Monat Ramaḍān am Samstag, dem 23. September 2006, diese Staaten waren Saudi-Arabien, Kuwayt, Qaṭar, Baḥrayn, die Emirate, Yemen, Iraq, Palästina, Libanon, Libyen und Sudan, während die Mehrzahl der islamischen Staaten ihr Fasten am Sonntag, dem 24. September begannen, unter diesen Staaten waren Indonesien, Malaysia, die Türkei, Oman, Jordanien, Syrien, Ägypten, Tunesien, Algerien, Marokko, Mauretanien, Somalia und zahlreiche weitere islamische Staaten, während Iran und Pakistan ihr Fasten am Montag, dem 25. September begannen.

Was die Staaten betrifft, die ihr Fasten am Samstag begannen, so wird Samstag, der 21. Oktober der neunundzwanzigste Tag des Monats Ramaḍān sein und ihr Ausschauhalten nach dem Hilāl des Monats Šawwāl wird an diesem Tag sein. Aber natürlich ist die Sichtung des Hilāls am Samstag, dem 21. Oktober unmöglich von allen Staaten der Welt im Hinblick darauf, dass der Mond vor der Sonne untergeht und dass die Konjunktion nach Sonnenuntergang stattfindet. Deshalb ist zu erwarten, dass diese Staaten ihr Fasten am Sonntag vollenden und Montag, der 23. Oktober ist der Erste der Tage des glücklichen `Īdu l-Fiṭr in diesen Staaten.

Was die Staaten betrifft, die ihr Fasten am Sonntag begannen, so wird Sonntag, der 22. Oktober der neunundzwanzigste Tag des Monats Ramaḍān sein und ihr Ausschauhalten nach dem Hilāl des Monats Šawwāl wird an diesem Tag sein, aber an jenem Tag ist die Sichtung des Hilāls auch unmöglich von allen Staaten der islamischen Welt im Hinblick darauf, dass der Mond vor der Sonne untergeht in einigen Regionen, bzw. zusammen mit der Sonne untergeht in den anderen Regionen. Deshalb ist zu erwarten, dass diese Staaten ihr Fasten am Montag vollenden und Dienstag, der 24. Oktober ist der Erste der Tage des glücklichen `Īdu l-Fiṭr in diesen Staaten.

Hinsichtlich des Hilāls des Monats Šawwāl dieses Jahres, so zeigen die astronomischen Berechnungen, dass die [geo]zentrische Konjunktion des Monats Šawwāl 1427 n.H. am Sonntag, dem 22. Oktober um 5:14 Uhr GMT morgens stattfindet. Dass der Mond nach Sonnenuntergang am Sonntag, dem 22. Oktober nicht mehr am Himmel ist, macht es unmöglich, dass Montag der Erste der Tage des glücklichen `Īdu l-Fiṭr ist, sowohl für die Staaten, die eine Sichtung des Hilāls zur Bedingung machen, als auch für diejenigen, die sich mit seiner Anwesenheit nach Sonnenuntergang begnügen, selbst wenn seine Sichtung nicht möglich ist. Was die Sichtung des Hilāls des Monats Šawwāl am Montag, dem 23. Oktober betrifft, so ist die Sichtung des Hilāls unter Verwendung eines Teleskops möglich in einem Großteil des asiatischen Kontinents und in Teilen von Nordamerika, während die Sichtung des Hilāls mit bloßem Auge leicht möglich ist im Süden und in der Mitte des afrikanischen Kontinents und in Südamerika. Unter der Vorraussetzung, dass die Sichtung des Hilāls eine Bedingung für den Beginn des Hiğriyy-Monats ist, so sollte der korrekte Beginn des Monats Šawwāl dieses Jahres in den meisten Staaten der Welt auf Dienstag, den 24. Oktober fallen.

Wenn man einen Blick wirft auf die Situation des Mondes am Sonntag, dem 22. Oktober in einigen arabischen und islamischen Städten, so wird der Mond in Teheran 8 Minuten vor der Sonne untergehen; in Baġdād 6 Minuten vor der Sonne; in Damaskus, Bayrūt, Tunis und Algier 5 Minuten vor der Sonne; in Kuwayt, `Ammān und Jerusalem 4 Minuten vor der Sonne; in Manāma, Kairo und Tripolis drei Minuten vor der Sonne; in Masqaṭ, Abū Ẓaby, Dawḥa und Rabat zwei Minuten vor der Sonne; und in Riyāḍ eine Minute vor der Sonne. Was Makka al-Mukarrama betrifft, so wird der untere Rand der Mondsichel ca. eineinhalb Minuten vor der Sonne untergehen, und die Mondsichel wird 51 Sekunden nach dem vollständigen Untergang der Sonne gänzlich untergegangen sein. Dies bedeutet die Unmöglichkeit einer Sichtung des Hilāls am Sonntag in allen genannten Regionen, und es ist ebenso unmöglich in den restlichen Gebieten der islamischen Welt.

Um die Ergebnisse der Beobachtung des Hilāls des Monats Šawwāl zu erfahren ist es möglich, die ICOP-Seite im Internet auf der Adresse http://www.icoproject.org zu besuchen. Das Projekt wurde 1998 gegründet und es umfasst derzeit mehr als 300 Mitglieder, Wissenschaftler und an Mondsichtung und Kalendern Interessierte. Das Projekt ermutigt die Interessierten in verschiedenen Staaten der Erde zur Beobachtung des Hilāls und zur Einsendung ihrer Beobachtungsergebnisse an das Projekt über seine Seite im Internet.

ICOP erweist den Themen der Mondsichtung und der Gebetskalender große Bedeutung, indem das Projekt in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Astronomie der Emirate und dem Dokumentations- und Forschungszentrum eine astronomisch-wissenschaftliche Konferenz an den beiden Tagen 13/14. Dezember in der Stadt Abū Ẓaby organisieren wird. An der Konferenz nehmen Wissenschaftler aus verschiedenen Staaten der Welt teil, und die Konferenz wird in grundlegender Weise die Themen der Sichtung des Hilāls und der damit zusammenhängenden Probleme erörtern, insbesondere die falschen Beginne einiger islamischer Staaten bei der Festlegung des Beginns der Hiğriyy-Monate.

Übersetzung aus dem Arabischen: (c) Gerhard Aḥmad Kaufmann

Saudi-Arabien gegen den Rest

Die Bestimmung des exakten Zeitpunkts für Beginn und Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan ist immer wieder Anlass für Verwirrung und Streit in der islamischen Welt. Warum das so ist, versucht Christian Luenen zu erklären.

Lange vor dem Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan disputieren muslimische Gelehrte aus aller Welt darüber, welches die korrekte Methode ist, die Sichel des entstehenden Mondes zu sichten.

Um das Probleme des genauen Beginns eines jeden islamischen Monats - einschließlich Ramadan - besser verstehen zu können, ist es unerlässlich, die Verflechtung mit der Thematik der Hermeneutik der Scharia sowie der Machtverhältnisse zwischen verschiedenen Organisationen, Regierungen und muslimischen Gelehrten im Allgemeinen zu verstehen.

Der Halbmond im islamischen Recht

Die einzige Vorraussetzung, die der Koran vorgibt ist, dass, der Monat Ramadan mit dem Sichten des neuen Halbmondes eingeleitet wird. Bis jetzt waren sich die meisten muslimischen Gelehrten darin einig, dass die physische Sichtung des Mondes unerlässlich sei, insbesondere da in einem viel zitierten Ausspruch des Propheten (hadith) das Wort ru'ya verwendet wurde, welches spezifisch auf das Sichten des Mondes mit bloßem Auge verweist.

Muslime sind also weltweit angehalten, am 29. Tag eines jeden Monats auf die Sichtbarkeit des neuen Halbmondes zu achten und alle Informationen darüber an die zuständigen Stellen weiterzuleiten. Wenn am 29. Tag eines Monats der Halbmond jedoch noch nicht sichtbar ist, muss die Vollendung des 30-Tage-Zyklusses abgewartet und der neue Monat am nächsten Tag begonnen werden.

In den letzten Jahren haben jedoch astronomische Methoden und Berechnungen zur Bestimmung des neuen Monats an Gewicht gewonnen und werden von vielen Gelehrten, Organisationen und Staaten zur Unterstützung und Verifikation der physischen Sichtungen herangezogen.

Astronomische Berechnungen

Moderne astronomische Berechnungen können den exakten Zeitpunkt der Konjunktion des Neumondes - wenn der Mond in einem Winkel von 0° zur Sonne steht und somit nicht sichtbar ist - für viele Jahre im Voraus genau bestimmen.

Die tatsächliche Sichtbarkeit des entstehenden Halbmonds (der erst nach mindestens 13.5 Stunden und wenn der Mond sich in einem Winkel von mindestens 7.2° - 8.5° zur Sonne verhält mit Hilfe eines Teleskops sichtbar wird) ist natürlich viel schwerer exakt zu bestimmen, da dies zusätzlich von Faktoren wie Zeitverschiebung, atmosphärischer Verschmutzung sowie Wetter- und Witterungsbedingungen abhängt.

Bis jetzt hat die große Korrektheit solcher Prognosen noch nicht dazu geführt, dass alle muslimischen Gelehrten diese mathematische Variante anerkennen und das Kriterium des physischen Sichtens fallen lassen. Die folgenden drei Positionen haben die Debatte bisher dominiert:

  • Die erste Position lehnt die Anwendung astronomischer Berechnungen vehement ab und richtet sich nur nach dem Kriterium des physischen Sichtens;
  • Die zweite Position erlaubt die Anwendung der astronomischen Vorgaben, um Richtlinien für die physische Sichtung zu schaffen und die Resultate der Sichtungen entweder verifizieren oder ablehnen zu können;
  • Die dritte Position vertritt den Standpunkt, dass astronomische Berechnungen und empirische Daten alleine ausreichend seien, um die Sichtbarkeit des entstehenden Halbmonds festzustellen.
  • Ferner müssen die folgenden zwei Positionen des islamischen Rechts (fiqh) berücksichtigt werden, um die Vielfältigkeit der verschiedenen Meinungen und Methoden zu verstehen:
  • Das Prinzip der globalen Sichtung: Wenn irgendwo auf der Welt der Halbmond gesichtet werden konnte, ist dies für alle Muslime weltweit verpflichtend. Das Fasten beginnt am nächsten Morgen.
  • Das Prinzip der lokalen Sichtung: Aufgrund hemisphärischer und geographischer Unterschiede sollte jede Gemeinschaft oder zusammenhängende Region sich nach ihren eigenen Sichtungen richten und den Ramadan entsprechend beginnen und beenden.

In der Praxis haben sich unterschiedliche Varianten und Kombinationen aus den oben genannten Meinungen und Kriterien ergeben. Oft waren aber die Positionen der verschiedenen Autoritäten der islamischen Welt – offizielle Haltung der Nationalstaaten, verschiedene Organisationen, muslimische Gelehrte - ausschlaggebend für die Entscheidung der meisten Muslime.

Saudi-Arabiens Führungsrolle

Da Saudi-Arabien aufgrund seiner Rolle als Geburtsort des Islam und als Hüter der beiden heiligsten Städte des Islam hohes Prestige genießt, folgen viele Muslime weltweit dem saudi-arabischen Beispiel.

Renommierte muslimische Astronomen behaupten jedoch, dass Saudi-Arabiens Entscheidungen über den Beginn Ramadans seit Jahren falsch seien. Sogar einige saudi-arabische Rechtsgelehrte, wie Sheikh Al-Othaimeen, haben deshalb die Anwendung des Prinzips der lokalen Sichtung für Muslime außerhalb des Königreiches befürwortet, um Verwirrung zu vermeiden.

Saudi-Arabien stützt sich dabei auf seinen Umm-ul-Qura-Kalender, der zwar ein Mondkalender ist, nicht aber ein islamischer und sich nicht nach der physischen Sichtung des Mondes richtet, sondern auf der Konjunktion beruht und mathematisch voraus berechnet wird.

Er ist deshalb nur für die zivile Nutzung gedacht und nicht für die Bestimmung religiöser Feiertage oder des Fastenmonats, was von saudi-arabischer Seite auch nicht bestritten wird.

Obwohl die saudi-arabischen Behörden auch schon vor Jahren eigene Mondsichtungs-Komitees ins Leben riefen, die sich aus Rechtsgelehrten, Astronomen sowie Laien zusammensetzen und überall im Land verteilt am 29. Tag des Monats vor Ramadan nach dem entstehenden Halbmond Ausschau halten (da sie sich offiziell dem Prinzip der lokalen Sichtung des Halbmonds mit bloßem Auge verpflichtet haben), haben die saudi-arabischen Behörden die Entscheidungen des Komitees oftmals ignoriert.

Stattdessen stützten sie sich auf Aussagen aus dem Volk, auch wenn diese astronomisch nicht haltbar waren, um den Beginn des Ramadan entsprechend des zivilen Umm-ul-Qura-Kalenders ausrufen zu können.

Daher hätten sie Ramadan manchmal sogar bis zu zwei Tage vor einer tatsächlich möglichen Sichtung des Halbmonds begonnen, schreibt Khalid Shaukat, ein dem "International Crescent Observation Project" (ICOP) nahe stehender Astronom, der auch als freier Berater der "Islamic Society of North America" (ISNA) tätig ist.

Die verlässlichsten astronomischen Daten über eine mögliche Sichtbarkeit des entstehenden Halbmonds kommen vom ICOP, einem Komitee der Jordan Astronomical Society (JAS) sowie dem Moonsighting Committee Worldwide (MCW).

Besonders die einschlägige und ausgiebige Recherche von Experten wie Mohammad Odeh aus Jordanien, Dr. Monzur Ahmed aus Großbritannien, Khalid Shaukat aus den USA oder von Diplom-Ingenieur Gerhard Ahmad Kaufmann aus Deutschland, die alle Mitglieder des ICOP sind, dienen all jenen Gelehrten und Organisationen, die astronomische Berechnungen nutzen oder sich vollends auf diese verlassen.

Ramadan in Deutschland

Wie viele islamische Länder haben sich auch in Deutschland viele örtliche Moscheevereine und Organisationen dem Vorbild Saudi-Arabiens untergeordnet und deshalb den Beginn des diesjährigen Ramadans für den 23. September festgesetzt. Saudi Arabien hatte, sich auf eine - astronomisch unmögliche - Sichtung des Vorabends berufend, den Beginn des Fastenmonats Ramadan am Vorabend ausgerufen.

Der DIWAN (Deutscher Islam-Wissenschaftlicher Ausschuss der Neumonde) vom deutschen "Zentralrat der Muslime" legte den Ramadanbeginn für Sonntag, den 24. September fest - genau wie der Europäische Rat für Fatwa und Forschung, dem der Rechtsgelehrte Yusuf al-Qaradawi vorsteht.

Dem Vorbild von DIWAN folgten dann die größten deutschen muslimischen Gemeinden sowie die Mitgliedsorganisationen des DIWAN, u.a. auch die "Islamischen Zentren" in Aachen und München. Die Entscheidung des DIWAN basierte, den Informationen von Ahmad Kaufmann zufolge, auf einer Kombination von astronomischer Berechnung und dem Prinzip der globalen Sichtung, demzufolge es am Samstagabend des 23. September in einigen Teilen der Welt möglich war, den entstehenden Halbmond zu erkennen.

Ahmad Kaufmann hat stattdessen das Prinzip der lokalen Sichtung dem der globalen vorgezogen, was den Beginn des Ramadan einen Tag nach hinten verschoben hätte, also auf den 25. September.

Trotz astronomischer Berechnungen halten die Streitigkeiten über die korrekte Methode an. Das größte Problem ergibt sich für Muslime die in nicht-islamischen Ländern wie den USA oder Europa leben. Diese haben sich in der Vergangenheit in der Regel dafür entschieden, entweder - paradoxerweise der Einheit der Muslime willen - Saudi-Arabien zu folgen oder - aufgrund einer emotionalen Bindung - ihren Heimatländern (was häufig auf die saudi-arabische Berechnung hinausläuft), oder aber sich an den in ihrem Land existierenden Organisationen orientieren, die zum Teil versuchen, die Muslime wenigstens auf nationaler Ebene zu einen.

Christian Luenen

Quelle: Qantara.de

Die Sichtung am Extremum

Angeregt durch den Gästebucheintrag von Abbas, ob es wissenschaftlich zu begründen sei "wieso Saudi-Arabien und ihre Anhänger-Staaten schon am Samstag angefangen haben", möchte ich den Bericht des ICOP Mitglieds Alireza Mehrani aus Esfahan/Iran hier kurz vorstellen.

Die Absurdität einer Sichtung des Mondes am Freitag (22. September, siehe Siehe Wann beginnt der Ramadân 1427 n.H.?) ist ein Faktum. Eine Zeugnis über die Sichtung des Mondes an diesem Tag ist gleichzustellen mit der Zeugnis, dass man in der tiefsten Nacht die Sonne sehe! Am Samstag, etwa 24 Stunden später nach der Sichtungsmeldung aus Saudi-Arabien, haben ICOP Mitglied Alireza Mehrani und Kollegen versucht aus einem Flugzeug den Mond zu sichten. Die Sichtungschancen steigen je höher die Höhe des Betrachters ist. Außerdem ist in großer Höhe die Luft rein und sauber, so dass die Bedingungen zum Sichten des Hilal sehr günstig sind. Unter diesen optimalen Voraussetzungen und ausgerüstet mit starken Ferngläsern und IT-Ausrüstung, gelang es dieser Gruppe die Sichtung des Mondes nicht! Auch nach 24 Stunden nach der "Fata Morgana" in Saudi-Arabien konnte der Mond in einer Höhe von etwa 35.000 Fuss in dieser Region nicht gesichtet werden, so wie es die astronomischen Berechnungen kalkuliert hatten (Vgl. graphische Darstellung der Sichtbarkeitszone für den 23. September nach dem Yallop-Kriterium Siehe Wann beginnt der Ramadân 1427 n.H.?).

Der vollständige Bericht in Englisch: For the three successive years, I had an especial flight for observing the Ramadan Crescent (September 23, 2006). By the path that we had determined, the observation was possible through the window, which was in front of the Capitan. Out height was from 35000 to 39000 feet (from see level) and our speed was from 700 to 850 km/h. In spite of our height, there was dust in the horizon. At the suitable time, I sat on the Capitan seat and began the observation. By a 15x80 binoculars (I) and by 15x70 & 20x80 (my colleagues) observed Mercury easily. We tried to find crescent, but it was not possible because of the dust. Our observation was on the north part of Iran. Maybe the little moon's altitude was another cause of this unsuccessfulness. This was the first time that I could not observe the crescent by aircraft. In 2004, we observed the Shawal Crescent. In 2005, we did not observe the Ramadan Crescent, but took photos of it. On October 23, at the end of Ramadan, we intend to have another flight for observing the shawal crescent. Alireza Mehrani Esfahan, I. R. of IRAN

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